Kein Tod wie der andere
waren. Warum suchte er nach Gründen für ein absichtliches Verschwinden von Suzanne John-Altmüller? Er glaubte doch gar nicht mehr daran. Auch Frohwein war der Meinung, dass vieles auf eine Straftat hindeutete, sonst hätte er anders gehandelt. Aber welche Rolle spielten dann die beiden früheren Todesfälle in der Familie Altmüller?
Unzufrieden drehte er sich vom Fenster weg. Es war nicht sein Fall. Und die Kollegen würden schon ihren Job machen. Er setzte sich an den Schreibtisch und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren: Ein als Pirat verkleideter Bankräuber hatte am Weiberdonnerstag eine Filiale der Sparkasse in der Paulinstraße überfallen. Da der Bankangestellte sich bereits in ausschweifender Karnevalsstimmung befand, hatte er den Überfall zunächst als Witz verstanden. Das Lachen war ihm schnell vergangen, als das Geschoss aus der vermeintlichen Spielzeugpistole ein ordentliches Loch in dem Stuhlpolster neben ihm verursachte. Der Täter war dann unerkannt mit gut zwanzigtausend Euro im närrischen Treiben der Stadt untergetaucht. Außer der Kugel, die immerhin Rückschlüsse auf eine in Ludwigshafen gestohlene Sportpistole zuließ, und einer mehr als vagen Personenbeschreibung vom völlig verstörten Filialleiter hatte Buhle nichts in der Hand. Ihre Chance bestand allein darin, dass der Täter noch einmal seine Waffe einsetzen würde – was keiner wirklich hoffte. Dennoch hatte er sich in regelmäßigen Abständen die Akten vorgenommen und auf eine Eingebung gewartet. Bislang vergebens, und heute würde die sicher auch nicht kommen.
Er suchte im Informationssystem der Polizei nach Daten zum Verkehrsunfall von Alexander Altmüller. Doch POLIS gab nur das preis, was er ohnehin schon wusste. Als Unfallursache wurde zu hohe Geschwindigkeit auf der schmalen Landstraße angenommen, von der Altmüller aus nicht näher bekannten Gründen abgekommen war. Anzeichen für Fremdverschulden gab es genauso wenige wie Unfallzeugen. Die Ermittlungen waren bereits abgeschlossen … Dann entdeckte Buhle doch etwas Interessantes: Das Unfallauto stand noch in der Werkstatt. Er nahm sich vor, es sich später anzuschauen.
Über den Tod von Anne Altmüller fand er nichts. Er musste annehmen, dass bei ihr die Todesursache eindeutig festgestanden hatte. Womöglich reichte es aus, eine Virusinfektion zu diagnostizieren und den Totenschein auszustellen. Eine Meldung bei der Polizei war nicht mehr notwendig, auch wenn der Virus unbekannt war. Buhle kämpfte eine Zeit lang mit der Versuchung, im Bitburger Krankenhaus anzurufen. Doch er besann sich auf die mahnenden Worte seines Vorgesetzten.
Er wollte gerade aufstehen und sich einen schwarzen Tee kochen, als sein Telefon klingelte.
»Christian? Bernd hier. Ich glaube, wir haben ihr Auto.« Frohwein sprach offensichtlich im Laufen.
»Wo?«
»Ein Ferienhausbesitzer bei Ralingen hat angerufen. Direkt neben seiner Einfahrt steht ein Auto, das vom Typ her zu dem von Suzanne Altmüller passen würde. Es stand schon da, als er gestern Abend von Grevenbroich aus angekommen war. Das Kennzeichen hatte er nicht notiert, er ruft aber gleich noch einmal an. Wenn es der Wagen ist, melde ich mich wieder.«
»Okay, danke«, doch Buhle hatte den Eindruck, dass die Verbindung bereits unterbrochen war. Was konnte das bedeuten? Eigentlich nur, dass Suzanne Altmüller tatsächlich etwas zugestoßen war, und zwar schon gestern. Sie wussten noch nicht einmal, warum sie ihr Haus verlassen hatte. Zoé konnte das wissen, doch bei ihr durfte er unmöglich anrufen, bevor sie nicht weitere Informationen hatten.
Er rief im Computer eine Landkarte auf und suchte Ralingen. Den Ort fand er direkt in einem engen Innenbogen der Sauer. Er benötigte keine weitere Minute, bis er die Wochenendhäuser entdeckte. Sie lagen ein Stück weiter flussabwärts. Merteskaul befand sich am Ende eines kleinen Seitentals. Alles lag eng beieinander. Der Weg vom Wohnort der Altmüllers führte zunächst zweieinhalb Kilometer das Mühlenbachtal hinunter zur Ralinger Mühle. Buhle konnte das schnell am PC ermitteln. Von dort aus konnte man auf der B 418 rechts nach Ralingen abbiegen oder links dem hier ausladenden Flussmäander Richtung Süden folgen. Nach eineinhalb Kilometern kam man an einem Parkplatz vorbei, fünfhundert Meter weiter führte ein Feldweg den Hang hinauf. Die Ansammlung kleiner schwarzer Vierecke hätte er wohl kaum deuten können, wenn sie nicht mit »Wochenendhäuser« beschriftet gewesen
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