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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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dauert nicht mehr lange, bis wir da sind. Kennst du dich ein wenig in der Geschichte der Region hier aus?«, fragte Ducard.
    Buhle zuckte mit den Schultern.
    »Wenn wir jetzt zur Familie John fahren, ist es vielleicht wichtig zu wissen, dass wir dabei auch einem äußerst traurigen Kapitel deutsch-luxemburgischer Nachbarschaft begegnen werden«, fuhr er fort. »Vor etwa siebzig Jahren, um genau zu sein, am 10. Mai 1940, begann der Einmarsch der deutschen Truppen in Luxemburg. Ein Vorfahre der Familie, Jean John, war damals mit seinem Lastwagen unterwegs, als er auf deutsche Truppen stieß. Es war noch vor vier Uhr morgens, und offiziell herrschte noch kein Krieg zwischen Luxemburg und dem Deutschen Reich. Trotzdem beschossen die Deutschen den Transportunternehmer und trafen ihn tödlich. Jean John war damit das erste luxemburgische Todesopfer im Zweiten Weltkrieg, noch eine halbe Stunde vor dem offiziellen Kriegsbeginn.«
    »Und was bedeutet das jetzt für uns?«
    »Ich habe vorhin noch mit dem örtlichen Polizisten gesprochen. Er kennt die Johns persönlich und berichtete, dass dieses Ereignis wohl die ganze Familie geprägt hat. Es muss bei den Eltern von Suzanne John-Altmüller auch auf wenig Gegenliebe gestoßen sein, dass die Tochter zum Studieren nach Deutschland gegangen ist und dann auch noch einen Deutschen geheiratet hat.«
    »Okay. In Luxemburg wirst du ohnehin die Gespräche führen. Ich werde aber besonders zurückhaltend sein.«
    »Ja, ich denke, es ist besser so.«
    Frédéric und Josette John wohnten im alten Dorfkern von Bettendorf in der Rue du Pont. Frédéric John öffnete die Haustür. Die Tiefe seiner Falten zeugte davon, dass sein mürrischer Gesichtsausdruck ihn wohl häufig begleitete.
    » Moien , Monsieur John. Ich bin Commissaire Ducard von der Police Judiciaire. Das ist Kriminalhauptkommissar Buhle von der deutschen Polizei. Hätten Sie bitte etwas Zeit für uns?«
    »Warum? Was ist passiert?« Obwohl Ducard deutsch geredet hatte, kam die Antwort auf Luxemburgisch. Deshalb sprach auch Ducard in seiner Heimatsprache weiter.
    »Wir sollten das nicht hier vor Ihrem Haus besprechen. Dürften wir bitte hineinkommen?«
    John schaute auf Buhle, als er antwortete: »Erst will ich wissen, um was es geht, bevor ich einen deutschen Polizisten in mein Haus lasse.«
    »Es geht um Ihre Tochter. Bitte, lassen Sie uns reingehen.«
    Die ablehnende Haltung von Frédéric John veränderte sich nicht, meißelte sich vielleicht noch eine Spur deutlicher in sein Gesicht. Das Flackern in seinen Augen aber zeigte, dass er zu ahnen schien, weswegen die beiden Kriminalbeamten ihn sprechen wollten. Er drehte sich wortlos um und ging durch den schmalen Flur zurück ins Haus. Ducard und dann Buhle folgten ihm.
    In dem kleinen Wohnzimmer war Josette John gerade damit beschäftigt, verschiedene Zeitschriften zu sortieren. Als die drei Männer in den Raum eintraten, richtete sie sich mit einem Stapel Illustrierte im Arm auf und schaute einen nach dem anderen fragend an.
    »Police Judiciaire.« Die Vorstellung erfolgte seitens Johns in der kürzestmöglichen Form. Und auch den Grund für das Kommen der Polizisten fasste er in einem Wort zusammen: »Suzanne.«
    Die Eheleute John waren beide Ende fünfzig. Ihre Gesichter zeigten jedoch eine von Falten gezeichnete Landkarte des Lebens, die sie deutlich älter aussehen ließ.
    Ducard sprach weiter luxemburgisch, als er die Nachricht vom Tod der Tochter überbrachte. Buhle saß dabei, verstand aber nur etwas, weil er wusste, um was es ging. Er hatte in den sechs Jahren, die er nun zuerst in Wittlich, dann in Trier gearbeitet hatte, nie einen Zugang zum moselfränkischen Dialekt gefunden. Jedenfalls hörte sich das »Lëtzebuergesch« für ihn wesentlich angenehmer und freundlicher an als das Trierer Platt – außer es wurde von den beiden Johns gesprochen. In seiner Zeit in Wittlich hatte es Buhle hingegen sprachlich einfacher gehabt, zumindest wenn er in der nördlichen Vulkaneifel unterwegs gewesen war, denn dort hatte sich eine Klangfarbe entwickelt, die dem Kölsch seiner Jugend schon recht nahekam.
    Buhle beobachtete Frédéric und Josette John, als Ducard die traurige Nachricht ausgesprochen hatte. Die beiden saßen fast regungslos da und ließen nur erahnen, was sich in ihrem Inneren regte. Josette fragte mit brüchiger Stimme: »Ist es auch ein Unfall gewesen?«
    »Wir wissen es noch nicht, Madame. Sie ist ertrunken, das können wir mit Sicherheit sagen. Wie es dazu

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