Kein Tod wie der andere
Ränkekämpfen Einhalt gebieten wollte. Seine unerschrockene Theresa. Sie fehlte ihm noch immer.
Noch größer wurde seine Einsamkeit, als ein halbes Jahr später der belgische Lkw Manfred in seinem Auto zerquetschte. Zuvor hatte wieder irgendein Idiot bei einem Überholmanöver einen schweren Unfall verursacht. Das Stauende auf der Bitburger lag hinter der Kurve, und der Belgier konnte auf der abschüssigen Strecke nicht mehr rechtzeitig halten. Er selbst hatte sich geweigert, Manfred zu sehen. Monika hatte es versucht; sie hatte noch tagelang Heulkrämpfe. Vielleicht hatte der Anblick ihres Bruders sie damals daran gehindert, sofort wieder zurückzukehren.
Danach herrschte Leere in seinem Haus. Der Mieter aus dem Dachgeschoss war ausgezogen. Er selbst hatte keine Lust gehabt, sich wieder einen Fremden ins Haus zu holen. Auch das war damals Theresas Idee gewesen. Eine Mietwohnung für regelmäßige Einkünfte. Er hatte es geduldet. Vielleicht, weil die Merteskaul sowieso schon mit Fremden überlaufen war.
Damals waren er und seine Familie von diesen langhaarigen Linken regelrecht umringt gewesen. Von einem Tag auf den anderen hatte sein dämlicher Nachbar sein Haus an diese Hippies aus dem Kohlenpott verscherbelt und war Anfang der Achtziger zu seiner Tochter nach Düsseldorf gezogen. Schon drei Jahre zuvor war eine andere dieser Kommunen, oder wie die sich nannten, in das leer stehende Haus der Merkers eingezogen. Es war furchtbar gewesen mit den alten Autos, den Motorrädern und der lauten Musik. Mit den Jahren waren dann immer wieder einzelne Bewohner weggezogen, hatten sich das Leben in der Eifel wohl doch anders vorgestellt. Hatten nicht gedacht, dass Arbeit auch dreckige Hände und schmerzende Rücken macht, bevor man die Ernte einfahren kann. Geblieben waren dann die Kremers auf der einen Seite, die ständig Kinder bekamen, und die Lenz mit Jim auf der anderen.
Er hatte es sich zwar nie richtig eingestanden, aber nachdem Theresa und Manfred gestorben waren, hatten ihn die Nachbarn unterstützt, wo sie es vermochten. Hatten ihm bei der Ernte geholfen und sogar die Schweine versorgt, als er einmal so krank war, dass er nicht in den Stall konnte, ohne die Tiere zu gefährden. Bis zu dem Tag, als der Fluch der Merteskaul wieder zuschlug und Jimmy mit seinem Motorrad in einer Kurve auf Sand ausrutschte, den ein Baulaster zuvor verloren hatte. Erst danach hatte die Straßenmeisterei die Leitplanken entschärft, denen Jimmy zum Opfer gefallen war. Silvia Lenz hatte sich über Jahre zurückgezogen. Hatte nur noch Zeit für ihre Pferde und ihre Bücher.
Vor drei Jahren dann hatten die Kremers ihre Kinder fast alle durch und ihr Haus an die Altmüllers verkauft. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie überhaupt einen Käufer für die Bruchbude finden würden. Doch dann kam dieser merkwürdige Journalist und faselte etwas von dem Potenzial des alten Hofes. Tatsächlich hatte Alexander Altmüller angefangen, das Wohnhaus zu renovieren und das alte Bauernhaus komplett auszubauen. Er hatte diesen Mann zwar nie ausstehen können, aber er zollte ihm Respekt für die geleistete Arbeit. Außerdem waren die Altmüllers mit ihren Mädchen vergleichsweise ruhig gewesen. Er hatte begonnen, sich an sie zu gewöhnen, auch wenn sein Bedürfnis nach Ruhe mit zunehmendem Alter noch gewachsen war.
Dann starb das Kind. Es war einfach so krank geworden und gestorben, hieß es. Er glaubte nicht daran. Von Anfang an nicht und schon gar nicht mehr, als er sah, was danach geschah. Er hatte an jenem Sonntagabend beobachtet, wie der Journalist wieder einmal durch Kunkelborn gerast war und dann plötzlich über die Böschung in den Wald hineinschoss. Es gab viele, die über die schmale Kreisstraße rasten, aber er war einer der Schlimmsten gewesen. Das hatte sich nun auch erledigt, auch wenn ihn diesmal keine Schuld getroffen hatte.
Keine zwei Wochen später kamen nun die Polizisten. Wollten wissen, ob er etwas Besonderes gesehen hatte. Ob er eine Ahnung hätte, wo die junge Ärztin abgeblieben war. Über die Frau konnte er nichts Schlechtes sagen. Sie war zu ihm immer freundlich gewesen, hatte sogar mit Monika öfter einen Kaffee getrunken und ihm geholfen, als er die schwere Erkältung hatte. Als die Kriminalbeamten dann noch mal kamen und es klar war, dass auch sie tot war, tat es ihm sogar ein wenig leid. Er hatte dennoch nichts gesagt: nichts über die Windmühlenbetreiber, die immer häufiger kamen, nichts über die
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