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Kein Wort mehr ueber Liebe

Kein Wort mehr ueber Liebe

Titel: Kein Wort mehr ueber Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herve Le Tellier
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Bildschirm und deine Tochter zu stellen, und ich spreche sehr laut, um das Stöhnen der Frau zu überdecken. Da kommt ein Mann im Anzug herein, es könnte Humphrey Bogart in
Casablanca
sein, undschreit sie an: »Geh jetzt nach Hause.« Sofort ist die Frau von ihren Fesseln befreit und zieht humpelnd von dannen. Sie dreht sich zu ihm um und wirft mit einer Schachtel Ohrenstäbchen nach ihm.
    – Mit was für einer Schachtel?
    – Ich weiß, das klingt absurd, es ist ein Traum, ich weiß nicht, wofür die Ohrenstäbchen stehen könnten. Der Fernseher geht von allein aus, ich hoffe, dass Maud nichts gesehen hat, ich erzähle ihr von der Bierhefe, die den Crêpe-Teig aufgehen lässt. Deine kleine Tochter schaut mich an, sie ist wütend, sie wollte den Film sehen.
    – Das ist alles?, fragt Louise.
    – Das ist alles. Ich erzähle es dir, weil ich denke, dass der Traum von meiner Schuld spricht.
    – Und Humphrey Bogart, das soll mein Mann sein? War Bogart nicht sehr klein?
    Sie lacht, er schüttelt den Kopf.
    – Ich weiß nicht, ob er es ist. Ein Traum ist immer komplex.
    – Ich hatte keinen Albtraum, nur einen unmöglichen Mandanten. Einen Vergewaltiger. Er hat sich eine unhaltbare Verteidigungsstrategie zurechtgelegt. Ich habe ihm gesagt: »Das kannst du vergessen, du Schwachkopf. Sie hat Spuren von deinen Schlägen am Körper, und die Substanz, die man auf ihren Kleidern gefunden hat, ist dein Sperma.«
    Bei dem etwas laut ausgesprochenen Wort »Sperma« dreht sich das ganz Café zu ihnen um, eine Stille macht sich breit, aber Louise hat es nicht bemerkt. Sie fährt fort:
    – »Nun gib schon zu, dass du dieses Mädchen vergewaltigt hast. Die Geschworenen werden dir niemals glauben. Wenndu weiter leugnest, dann kriegst du nicht vier oder fünf Jahre, sondern zehn.«
    – Louise …
    – Ja?
    – Nicht so laut. Alle Leute schauen uns an. Oder vielmehr, alle Leute schauen mich an.
    Louise dreht sich um. Alle Blicke sind auf Thomas gerichtet, voller Zorn und Verachtung. Sie steht sofort auf, wendet sich an die anderen Gäste.
    – Halt, Moment. Ich bin Anwältin. Das ist der Mann meines Lebens, ich erzähle ihm gerade meinen Arbeitstag, ich liebe ihn, wir heiraten am Sonntag.
    Sie setzt sich neben Thomas und küsst ihn auf den Mund. Der Kuss dauert, man hört Pfeifen, Lachen, sogar Applaus. Als sie sich von ihm löst, bekommt Thomas einen Lachanfall.
    – Du bist wirklich verrückt.
    – Nach dir.

ANNA UND YVES
    Es gibt keine einfache Erklärung für Lust. Wenn die Katze hinter der Maus herläuft, werden nicht einfach die Moleküle der Katzen von den Molekülen der Mäuse angezogen. Anna weiß ebenso wenig, warum ihr Körper Yves’ Hände mag, wie Yves zu sagen wüsste, was seine Hände zu Annas Körper drängt.
    Da sie ihm alles erlaubt, scheint alles ganz natürlich zu sein. Nichts ist mehr unzüchtig. Oder hat sie ihm nichts untersagt, weil nichts gegen die Natur ist? Und doch murmelt sie, plötzlich beunruhigt, eines Abends, nachdem er sie sehr unkonventionell genommen hat:
    – Wenn du eines Tages ein Buch über uns schreibst, erzähl das bitte nicht.
    – Was, das?, fragt Yves.
    – Du weißt schon. Das.
    Yves schüttelt den Kopf, küsst sie. Warum sich sorgen? Er wüsste nicht, wie er das erzählen sollte.
    Anna mag es nicht, dass Yves’ Lust aus ihrer eigenen entsteht. Manchmal wünschte sie, dass er nicht Lust auf sie persönlich hätte, sie wünschte, er nähme sie »ganz einfach«, »als Frau«, wie ein Objekt in seinen Händen, sie möchte sichdann verlieren in einer beinahe mechanischen Gier nach Sex. Früher hatte sie mal einen Liebhaber – »ein ziemlicher Idiot«, wie sie zugibt –, der, als sie nackt vor ihm stand, gesagt hatte: »Frauen sind etwas Schönes«, und dieser Satz war ihr wie die allerschönste Liebeserklärung erschienen. Yves hingegen findet das total banal, naiv, die poetische Verve eines Lastwagenfahrers, eines Romantikers im Unterhemd. Sie erwidert:
    – Ist mir egal, ich mag das. Das wirkt befreiend auf mich.
    Aber wenn sie sich lieben, spricht Yves ihren Namen aus, und sie ist von seinen derben oder zarten Worte wie benommen:
    – Ich mag es, wenn du mich Anna nennst. Das verwirrt mich, so als ob es ganz neu für mich wäre.
    Mehrmals verlangt sie nach ein wenig Gewalt. Sie sagt: Beiß mich. Schlag mich. Amüsiert führt Yves den Befehl aus, entdeckt, dass er das kann, findet Spaß an diesem Spiel. Doch schnell kommt er an seine Grenzen. Er will gerne spielen, aber zu viel

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