Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
brechen.
»Nichts. Wenn er kommt, dann sag ihm … Ach, ist egal, ich gucke mal im Garten.«
Sie hatte sich schon wieder umgedreht und starrte auf den großen gelben Berg im Backofen.
Bis auf die Nachbarskatze, die sich in der Herbstsonne auf dem Rasen wälzte, war niemand zu sehen. Als ich langsam zum Strandkorb
ging, sprang sie auf und folgte mir. Ich schob den Strandkorb in die Sonne und setzte mich hinein, die Katze sprang mir auf
den Schoß und schnurrte.
»Na, du dickes Vieh.« Langsam kraulte ich sie, sie gähnte und warf sich auf den Rücken. »Du bekommst nachher Hühnerpastete.
Freu dich.«
Das gleichmäßige Schnurren wirkte beruhigend, ich sollte mir dieses Tier vor den Bauch binden, gerade wenn mein Vater in die
Nähe kam. Die Sonne schien mir ins Gesicht, die Katze räkelte sich auf meinem Schoß, meine Augen fielen zu. Bis mich eine
Stimme aus dieser Idylle riss.
»Hast du ihn schon erschlagen?«
Ich öffnete nur ein Auge und sah zu meiner Schwester hoch.
»Er hat einen eingebauten Warnmelder. Immer wenn es für ihn brenzlig wird, ist er unauffindbar.«
»Rutsch mal ein Stück.«
Sie quetschte sich neben mich, die Katze maunzte, dehnte sich und legte sich anschließend über uns beide. Während Ines vorn
und ich hinten streichelten, dachte ich über die E-Mail nach. Wann hatte mein Vater eigentlich mit Frau Hansen gesprochen? Und was meinte er mit »Jureks Geheimnis«?
Ines streckte ihre Beine aus und unterdrückte ein Stöhnen, weil die Katze sich mit den Krallen festhielt.
»Hast du Johann schon angerufen?«
Ich lachte freudlos. »Nein. Ich wüsste auch gar nicht, was ich ihm sagen sollte. Vermutlich nimmt er die Mail sowieso nicht
ernst, er kennt doch Papa.«
»Und wenn er kommt?«
»Wieso sollte er kommen?«
Meine Schwester fuhr fort, die Katze hinter den Ohren zu kraulen. »Weil er die Beziehung retten will?«
»Welche Beziehung?« Ich war selbst erschrocken, wie bitter ich klang.
»Ach, Christine!« Die Katze hob den Kopf und sah meine Schwester an. Etwas leiser redete Ines weiter. »Deine Fähigkeit, Dinge
auszusitzen, ist wirklich beeindruckend. Wenn du das Ganze nicht mehr willst, dann beende es. Und wenn du es noch willst,
dann mach etwas dafür. Aber warte nicht ewig, dass jemand anderes Entscheidungen für dich trifft. Das ist furchtbar.«
»Wieso kritisierst du eigentlich dauernd an mir herum?« Ich warf einen Seitenblick auf Ines, die unverwandt die Katze betrachtete.
»Seit wir hier sind, kommentierst du alles. Meine Beziehungen haben dich doch früher nicht interessiert. Und jetzt mischst
du dich plötzlich ein. Du wirst Papa immer ähnlicher.«
»Das stimmt nicht.« Ines blieb gelassen. »Ich mische mich nicht in alles ein, ich sage dir nur, was ich denke. Das durfte
ich früher ja nie, da war ich für so was entweder zu jung, oder ich hatte angeblich keine Ahnung. Aber jetzt sind wir beide
erwachsen, da könntest du dir vielleicht auch mal dieses Große-Schwester-Verhalten abgewöhnen.«
»Das habe ich gar nicht.«
»Doch.« Ines sah mich an. »Das hast du. Nicht immer, aber immer wieder mal. Du darfst alles zu mir sagen, ich aber nichts
zu dir. Was hast du mich angezickt, als ich dir von Gregor Morell erzählt habe. Das hätte ich mal dir gegenüber wagen sollen.«
»Aber das ist doch wirklich das Letzte. Ausgerechnet mit dem. Und …«
»Siehst du.« Ines lächelte und strich sich ein Büschel Katzenhaarevon den Fingern. »Du regst dich schon wieder auf. Es stimmt übrigens nicht. Ich habe ihn nie geküsst. Er hat versucht, mich
auszufragen. Ich weiß nicht, was er ahnt, aber er hat wohl mitbekommen, dass Marleen schon lange wieder hier sein sollte.
Ich vermute, er hat mit Gisbert geredet. Jedenfalls hat er mich angebaggert, und so unattraktiv fand ich ihn auch nicht. Ich
hatte nur überhaupt keine Lust, darauf einzugehen, aber ich wollte mal testen, ob du ruhig bleiben würdest. Und mich mal meine
Dinge einfach machen lässt. Tust du aber nicht.«
Ich klappte den Mund wieder zu.
Meine Schwester zog ihre Beine an, die Katze verlor das Gleichgewicht und sprang mit einem bösen Blick auf den Boden. Ich
musterte die Katzenhaare auf meiner Jeans.
»Du hast das nur so gesagt? Um mich zu provozieren?«
»Ja.« Ines stand auf und streckte sich. »Wobei du früher auch noch gepetzt hättest. Von daher gibt es ja immerhin eine Entwicklung.«
Sie stützte sich mit einer Hand am Strandkorb ab und neigte sich zu mir.
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