Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
die Augen theatralisch aufgerissen.
Die Bildunterschrift lautete:
Der Schöne und das Bier – Oder: Der Besuch der kleinen Schwester
Leider war nur ein Teil der zauberhaften Schwestern in der »WunderBar« zu Gast, aber dass dieses Lokal auf unserer Insel so
angesagt ist, spricht sich bestimmt auch bald zu Christine S. herum. Schöne Christine, auf bald.
GvM
Es war einfach nicht zu fassen. Mir fiel keine passende Bemerkung ein, zumindest keine, die ich vor Adelheid machen wollte.
Die hatte sich inzwischen auch den Text durchgelesen. Sie strich kurz über die Seite.
»Gisbert kann wirklich schön schreiben. So humorvoll.« Kurz darauf hob sie den Kopf und blickte Ines strafend an. »Aber dass
du dich da so blamierst, also wirklich. Und dann noch mit diesem Knallkopf aus Winsen. Das verstehe ich nicht. Was ist hier
eigentlich los? Drogen, Alkoholexzesse, Männer, die keine richtigen sind! Wenn ihr mich fragt, ich bin sehr froh, hört ihr,
sehr froh, dass eure Mutter kommt, um hier zu helfen. Dann bin ich wenigstens nicht mehr die Einzige mit Benehmen.«
Ines beugte sich vor und nahm Gesa die Zigarette aus derHand. Sie zündete sie an und blies einen Rauchkringel in meine Richtung.
»Tolles Zeug«, sagte sie anerkennend zu Gesa, »wo hast du das bloß her?«
»Ines!« Manchmal fand ich die Scherze meiner Schwester einfach geschmacklos.
Nach einem Blick auf die Reiseverbindungen im Internet hatte ich ausgerechnet, dass meine Mutter auf keinen Fall vor dem späten
Nachmittag die Insel erreichen könnte. Das gab uns zumindest noch ein paar Stunden Luft. Ich versuchte, positiv zu denken.
Meine Mutter war ja gar nicht so übel. Sie hatte meistens gute Laune, war praktisch veranlagt und putzte gern, eigentlich
konnten wir sie ganz gut gebrauchen. Das Problem war nur, dass sie sich nichts sagen lassen würde, zumindest nicht von uns.
Und das allergrößte Problem war, dass sie glaubte, sie könne kochen. Sie war sogar zutiefst davon überzeugt. Schließlich war
sie der leidenschaftlichste Fan von Kochsendungen, sie sah sich alle regelmäßig an. Sie sprach über die Fernsehköche, als
hätte sie mit ihnen die Ausbildung gemacht, sammelte Kochbücher, liebte Wochenmärkte und neue Rezepte. Nur in deren Umsetzung
hatte sie ihre eigene Methode. Mein Vater und sie mochten nämlich nicht alles. Genauer gesagt mochten sie ziemlich wenig.
Das, was sie nicht mochten, wurde einfach weggelassen. Die meisten Gerichte waren dadurch abenteuerlich, hatten aber immer
schöne Namen.
Und natürlich würde sie die Leitung der Küche für sich beanspruchen. Ich hörte schon förmlich den Satz: »Betten machen kann
ich auch zu Hause. Nö, macht ihr das doch, der Tim hat da neulich was ganz Tolles gekocht, eine Partysuppe für zwanzig Personen,
die probiere ich heute aus. Aber diese scheußlichen Kapern lasse ich weg.«
In der Küche empfing mich der Duft von Knoblauch, Zwiebeln und Kräutern. Hans-Jörg rührte andächtig in einem großen Topf mit
roter Sauce und plötzlich sah ich ihn in einem ganz anderen Licht.
»Hallo, du Meisterkoch«, sagte ich voller Sympathie und Dankbarkeit, »geht alles gut?«
Erschrocken ließ er den Löffel in den Topf fallen und fuhr herum.
»Wie?«
Er guckte mich entsetzt an, beruhigend gab ich ihm einen Klaps auf die Schulter.
»Alles in Ordnung. Es riecht sehr gut. Brauchst du meine Hilfe?«
Er kratzte sich am Kinn, ein paar rote Saucentropfen blieben in seinem Gesicht hängen.
»Nein, also ich meine, ich weiß jetzt nicht, also ich habe das alles so in der Reihenfolge gemacht, wie ich das gelernt habe,
und Jurek war gerade hier und hat auch gesagt, dass das alles prima ist. Jetzt ist er mit Gesa zum Einkaufen los, und ich
finde, dass diese rote Sauce …«
»Schon gut, Hans-Jörg, es war einfach nur eine Frage. Ich schaue mal, was meine Schwester macht.«
Verwirrt sah er mir nach, bevor er sich wieder dem Topf zuwandte. Ich durfte ihn nicht so durcheinanderbringen.
Auf der Suche nach Ines sah ich erst in der Rezeption nach, dann im Garten, schließlich fand ich sie wieder im Waschkeller,
wo sie Handtücher faltete.
»Hier bist du. Wirst du jetzt zum Wäschefan?«
»Ja.« Energisch schlug sie das Handtuch glatt und knickte es in der Mitte. »Ich finde, das riecht frisch. Und man kann beim
Wäschefalten so gut denken.«
Ich lehnte mich an die Wand. »Und worüber denkst du nach?«
»Nichts Besonderes. Über dieses und jenes. Mama,
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