Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Meine Schwester nahm sie in die Hand und las laut vor: »Toskanisches Olivenhähnchen, Paella, Hühnchen
raffiniert, Hähnchenbeine nach englischer Art, Hannas Hühnersuppe, Reis mit Huhn und Krabben … Was bitte ist das?«
Hanna nickte beifällig. »Das geht auch noch weiter, wir haben schon elf Gerichte zur Auswahl. Das ist wirklich was anderes
als Nudeln mit Sauce.«
Ich wollte nicht wissen, was sich meine Mutter unter »Tos kanischem Olivenhähnchen« oder der Betitelung »raffiniert« vorstellte, ich fragte bloß: »Warum denn immer nur Huhn?«
»Weil Hannas Truhe voll ist.« Adelheid setzte sich wieder auf ihren Platz. »Haben wir denn immer noch nichts zu trinken? Ruf
doch mal jemand nach dem Aushilfskellner, hat der keine Augen im Kopf? So verdient Marleen mit der Bar auch nichts. Wenn das
Theda wüsste.«
Ich ging zum Tresen, um endlich zu bestellen. Hanna rief mir freundlich hinterher: »Geflügelwochen bei ›Eisfrost‹. Kalli und
ich essen das ja im Leben nicht auf. Da können wir das viel besser hier verbraten und auch noch Marleens Geld sparen. Gut,
oder?«
Adelheid hatte sich nach dem Glas Sekt auf den Weg gemacht. Charlotte und Hanna redeten so schön über alte Zeiten und bestellten
noch eine Runde. Sobald Adelheid weg war, kam Pierre auch an den Tisch.
»So, meine Damen. Jetzt habe ich mal einen Moment Zeit, Sie anständig zu begrüßen, es war ja so eine Hektik gerade eben.«
Meine Mutter zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Ja klar, Hektik. Aber macht ja nichts, dann unterhalten wir uns eben jetzt
noch einen Moment.«
»Ja«, Hanna klopfte auf den Stuhl, den Adelheid freigemacht hatte, »kommen Sie, junger Mann, setzen Sie sich einen Moment.
Ihr Kollege kann Sie ja kurz mal vertreten.«
Pierre sah sich nach Jurek um, der inzwischen hinter dem Tresen stand. Dann wandte er sich zurück und strahlte Hanna und meine
Mutter an.
»Aber gerne doch, jetzt hole ich mir auch mal ein Gläschen Saft und für Sie noch mal dasselbe, und dann stoßen wir an. Darauf,
dass das Team immer größer wird.«
Ines nutzte sofort die Gelegenheit und stand auf. »Ja, wir gehen schnell rüber und helfen Hans-Jörg beim Aufräumen. Der muss
ja auch mal nach Hause. Bleibt ihr ruhig hier sitzen.«
Meine Mutter nickte und sah Pierre nach. »Ja, macht nur. Der Hans-Jörg ist ja ganz reizend. Wir kommen dann morgen früh, nicht
wahr, Hanna? Heute haben wir doch keine Lust mehr. Oder?«
»Um Himmels willen«, winkte sie ab. »Küche aufräumen kann ich auch zu Hause. Ihr seid doch genügend Leute. Nein, nein, eure
Mutter und ich feiern noch ein bisschen Wiedersehen, und wir sehen uns morgen. Schönen Abend noch.«
Beide drehten sich weg, als Pierre zurückkam. Gesa, Ines und ich beeilten uns, die Bar zu verlassen. An der Tür hörten wir
Gelächter, anscheinend hatte Pierre eine Charmeoffensive gestartet, die auf begeistertes Publikum stieß. Adelheids Vorbehalte
Pierre gegenüber waren verhallt.
An der frischen Luft atmete ich tief durch und wartete auf die anderen beiden.
»Das ist ja ganz glimpflich abgelaufen.«
Ines nickte zufrieden. »Das wird alles gar nicht so wild. Und wenn Adelheid das Trio komplettiert, kann doch nicht so richtig
viel schiefgehen.«
»Toskanisches Olivenhähnchen.« Gesa hatte sich noch einen Rest Skepsis bewahrt. »Mal sehen. Sagt mal, brauchtihr mich noch? Ich müsste dringend an meinen Schreibtisch. Ich habe in den letzten zwei Wochen überhaupt nichts fürs Studium
getan.«
Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. »Tut mir leid, nein, geh ruhig nach Hause. Küche aufräumen kann ich.«
»Das braucht dir doch nicht leidzutun«, antwortete Gesa und winkte ab, »du hast ja in Dubai keinen Ärger gemacht.«
»Nicht so laut!« Ich sah mich um. »Was heißt denn ›Ärger gemacht‹? Wie meinst du das?«
Gesa sah mich geduldig an. »Christine, denk mal nach. Marleen wird da seit fast einer Woche festgehalten. Kühlke redet nur
von irgendwelchen Akten, die er nicht bekommt. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass es da um eine Lappalie geht?«
Ein unangenehmes Gefühl durchfuhr mich. »Das ist dummes Zeug. Was soll Marleen denn gemacht haben? Es geht um irgendein Missverständnis.
Eine Verwechslung. Eine fehlendes Dokument, was weiß ich?«
»Prinzip Hoffnung.« Ines schob uns weiter. »Gesa, hör auf zu unken, meine Schwester neigt sowieso zu Katastrophenszenarien.
Gehen wir mal davon aus, dass in den nächsten Tagen der Anruf
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