Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
kommt, in dem Marleen mitteilt, dass sich alles aufgeklärt hat.
Und jetzt erlösen wir Hans-Jörg und putzen die Küche. Gute Nacht, Gesa.«
»Nacht.«
Sie lächelte mir versöhnlich zu und verschwand um die Ecke. Ines und ich setzten schweigend unseren Weg fort.
»Glaubst du auch, dass da was Schlimmes passiert ist?«, sagte ich leise kurz vor der Tür.
Nachdenklich starrte Ines auf die Türklinke. »Eigentlich nicht«, sagte sie schließlich, »aber wenn, können wir auch nichts
tun. Nur abwarten. Zumindest werden wir irgendwann wissen, was genau los ist.«
Irgendwann, dachte ich, und mir wurde ein bisschen übel.
Das nette Ehepaar aus Zimmer 8 verließ gerade den Speiseraum, in dem nur noch Eleonore Stehler neben Gregor Morell saß. Letzterer
las in einer Zeitschrift, während sie gelangweilt aus dem Fenster schaute. Als sie mich kommen sah, blickte sie auf.
»Wir hätten gern Karten für das Konzert am Samstag. Können Sie uns die besorgen oder müssen wir das selbst machen?«
»Guten Abend.« Ich lächelte so breit wie ich konnte. »Das können wir gern tun. Möchten Sie bestimmte Karten?«
»Ich will überhaupt nicht in dieses bekloppte Konzert.« Der Mann, der nicht ihr Sohn war, blickte mürrisch über den Rand seiner
Zeitschrift. »Ich hasse Jazz.«
Ich lächelte noch breiter. Frau Stehler sah erst mich und dann ihn giftig an.
»Du kannst ruhig mal etwas für deinen kulturellen Horizont tun.«
Mir taten schon die Mundwinkel weh. »Also, welche Karten?«
Eleonore bekam ganz schmale Augen. »Gute, natürlich. Und das Essen war heute wieder so etwas von einfallslos und langweilig.
Wir werden bei der Abreise über den Preis reden müssen, es ist ja wohl unmöglich und …«
Bevor sie sich hineinsteigern konnte, kam meine Schwester mit einem Tablett.
»Guten Abend.« Sie hatte einen Teil der Litanei mitbekommen. »Ab morgen ist das Essen garantiert nicht mehr langweilig. Wir
haben Verstärkung in der Küche bekommen.«
»Das wurde aber auch Zeit.« Immer noch schmaläugig warf Eleonore Stehler ihre Serviette neben ihren Teller. »Das kann man
ja wohl erwarten. Was ist jetzt? Kommst du mit hoch, Gregor? Ich möchte noch duschen und dann auf einen Drink ins ›Conversationshaus‹.«
Sie stand auf und sah auf ihren Begleiter herab. Während er sich langsam erhob, sagte sie, ohne uns eines Blickes zu würdigen:
»Sie denken an die Karten?« Dann verließen sie hintereinander den Raum. Sie natürlich voraus. Er ging hinterher und drehte
sich noch nach meiner Schwester um. Ein unangenehmer Typ, ich hätte mich schütteln können.
»Was für eine Ziege!« Ich stellte die Teller auf das Tablett. »Ist Hans-Jörg schon weg?«
»Ja.« Ines räumte den zweiten Tisch ab. »Er wird aber langsam zutraulich. Er hat einen Zettel geschrieben. ›Bin fertig mit
Kochen. Tschüss‹. Sag mal, hast du zufällig eine Kopfschmerztablette?«
Ich hob den Blick. Sie war sehr blass und drückte zwei Finger an ihre Schläfe.
»Im Badezimmer. In meiner Schminktasche. Ist es so schlimm?«
Sie nickte. »Ja. Ich kann überhaupt nicht mehr gerade gucken. Das ging vorhin schon los, jetzt wird es immer stärker.«
Ich stellte das Tablett zur Seite und nahm ihr die Teller aus der Hand.
»Ich kann das hier auch allein machen. Geh hoch, nimm eine Tablette und leg dich hin. Du siehst furchtbar aus.«
»Danke.« Ines bemühte sich zu lächeln, ließ sich aber widerspruchslos alles aus der Hand nehmen. »Bis später.«
Sie ging tatsächlich sofort, es musste ihr wirklich schlecht gehen. Langsam ließ ich mich auf den Stuhl sinken und stützte
mein Kinn auf die Hand. Bei all diesen Ausfällen sollte ich vermutlich froh sein, dass meine Mutter und Hanna angerückt waren.
Aber dauernd zu überlegen, was wir erzählen konntenund was nicht, wurde unheimlich anstrengend. Kein Wunder, dass Ines Kopfschmerzen bekam. So viel konnte man ja gar nicht denken.
Das Klingeln an der Rezeption riss mich aus meinen Gedanken. Vielleicht wollten meine Mutter und Hanna doch noch helfen, dann
müsste ich wieder erklären, warum meine Schwester jetzt Kopfschmerzen hatte. Ich hoffte, es war nur ein Gast. Ich stand schnell
auf und ging durch den Flur.
»Hallo, haallooo!« In diesem Fall wäre mir meine Mutter doch lieber gewesen. »Ist denn hier niemand?«
»Gisbert, bist du noch bei Trost? Brüll doch hier nicht so herum. Wie siehst du denn aus? Willst du heiraten?«
Er trug einen hellblauen Anzug, ein hellblaues
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