Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Willst du nicht solange zu Pierre
in die Bar gehen, der macht dir bestimmt einen Kaffee oder was anderes, wir kommen dann nach.«
»Hallo, ihr beiden. Ihr hättet ja auch ruhig mal vorbeikommen können.«
Hanna wollte gerade Ines umarmen, als meine Mutter sie wegzog.
»Pass auf, Ines ruiniert dir die ganze Jacke. Fass sie lieber nicht an.«
»Kann ich mal durch?« Mit einem großen Topf in der Hand verharrte Hans-Jörg unsicher in der Küchentür. »Ich müsste mal …«
Plötzlich ganz unbekümmert, was ihre klebrigen Hände betraf, schob Ines erst meine Mutter und dann Hanna zur Seite.
»Entschuldigung, lasst ihr unseren Jungkoch mal rein? Hans-Jörg, das sind meine Mutter und Hanna, Kallis Frau.«
»Tag.« Unsicher balancierend schob er sich an der Frauenoffensive vorbei. »Ich muss noch ein bisschen arbeiten, und die Küche
ist ja nicht so riesig groß, das ist alles sehr schnell eng hier, und da sind auch schon Gäste im Speiseraum, und ich weiß
gar nicht, wo Gesa ist, die wollte eigentlich auch …«
»Schon gut, Hans-Jörg.« Energisch drehte ich mich um. »So, Mama und Hanna, geht doch bitte in die Bar, wir machen schnell
den Rest fertig und kommen nach.«
»In die Bar?« Hanna starrte mich entsetzt an. »Um diese Zeit?«
»Ihr müsst ja nicht mit Cola-Rum anfangen.« Ines öffnete den Schrank, um Schüsseln herauszunehmen. »Los, Mama, dann lernst
du auch gleich den schönen Pierre kennen. Wir kommen bald dazu.«
»Braucht ihr denn keine Hilfe?«
»Nein!« Hans-Jörg, Ines und ich vereinigten uns zum Chor.
»Na gut.« Etwas verschnupft griff meine Mutter nach ihrer Tasche. »Dann gehen wir mal in diese Bar. Beeilt euch ein bisschen,
wir haben wohl noch einiges zu besprechen. Also, bis gleich.«
Hans-Jörg lächelte uns unsicher an.
Ich machte gerade noch einen letzten Kontrollgang und begrüßte die Gäste, als Gesa in den Gastraum schaute.
»Christine, kommst du mal? Jurek hatte da eine Idee.«
Die mysteriöse Frau Hansen war bislang noch nicht aufgetaucht. Mutter und Sohn aßen entweder an ihrem ersten Abend außer Haus
oder kamen später.
In der Küche spülte Ines gerade die Töpfe, Jurek saß am Tisch, Gesa trocknete ab, und Hans-Jörg stand im Weg.
»Was ist das für eine Idee?«
Ich schob Hans-Jörg ein Stück zur Seite, wo er in derselben Stellung verharrte, und griff zu einer Wasserflasche. Jurek sah
Hans-Jörg an.
»Ich könnte auch ein bisschen mehr in der Küche helfen, ich schaffe das zeitlich.«
»Das kommt leider ein bisschen zu spät.« Ines reichte Gesa den letzten tropfenden Topfdeckel. »Unser Küchenengpass ist vorbei.
Ab morgen wird Hans-Jörg von zwei begnadeten Köchinnen in die Zange genommen. Guck nicht so ängstlich, du musst nur tun, was
sie sagen, dann passiert dir nichts.«
Überrascht drehte Jurek sich um. »Wer kommt denn?«
»Meine Mutter.« Ich ließ die Wasserflasche, aus der ich getrunken hatte, sinken und schraubte den Deckel wieder darauf. »Und
sie bringt Kallis Frau Hanna mit. Und, Hans-Jörg, ich verdoppele deinen Stundenlohn, wenn du es schaffst, das Schlimmste zu
verhindern.«
»Was ist denn das Schlimmste?«
Meine Schwester und ich wechselten einen Blick. Dann fingen wir hysterisch an zu lachen.
Während ich die Platten auf dem Buffet auffüllte, frische Wasserflaschen auf die Tische stellte und versuchte, die Fragen
der Gäste freundlich zu beantworten, arbeitete mein Hirn auf Hochtouren. Ich beschloss, Adelheid zu überreden, den beiden
Spitzenköchinnen zur Seite zu stehen und dann meine Mutter und Hanna davon zu überzeugen, dass das Kochen zudritt viel lustiger wäre. Und außerdem hatten wir Hans-Jörg. Vielleicht würde es so klappen.
Es
musste
so klappen.
Auf dem Weg zurück in die Küche rutschte mir die Schüssel aus der Hand. Die rote Sauce spritzte bis an die Tür. Alle Köpfe
fuhren hoch, alle Bestecke verharrten in der Luft, alle Blicke waren auf mich gerichtet.
»Nichts passiert«, rief ich und ging in die Hocke, um die Scherben aufzusammeln. »Es ist nur Sauce, kein Blut.«
Pierre stand an der Tür der Bar, rauchte eine Zigarette und sah uns mit einem schwer zu deutenden Blick entgegen.
»Ich dachte, du rauchst nicht?«, fragte Jurek erstaunt.
»Das ist eine Mentholzigarette.« Pierre zog an ihr und hustete. »Und lass die Tür auf, sonst sieht Adelheid es nicht.«
»Adelheid ist in der Bar?« Verblüfft versuchte Gesa, an Pierre vorbei in die Bar zu spähen. »Was macht sie
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