Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Bier.
»Wir haben uns unterhalten.« Ines legte den Korken auf den Tisch. »Und jetzt mal im Ernst: Ihr zieht doch nicht wirklich zusammen,
oder?«
Verwundert schüttelte ich den Kopf. Was sollte jetzt so eine dämliche Frage? Ich überlegte, warum sie sie stellte. Sicherlich
bloß zur Ablenkung. Bevor ich etwas sagen konnte, hakte Ines nach.
»So richtig glücklich bist du nicht mehr mit ihm.«
Ich schenkte sehr langsam den Wein ein, um Zeit zu gewinnen. Ines verfolgte jede meiner Bewegungen.
»Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst.«
Es war kein Manöver. Ihrem Gesicht sah ich an, dass sie sich wirklich Gedanken machte. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht,
dass sie sich Gedanken machte, und ebenso wenig, dass meine Eltern sich Gedanken machten, ich wollte vor allen Dingen nicht,
dass ich mir selbst Gedanken machte. Weil ich dann etwas entscheiden müsste. Oder mir erst mal über Dinge klar werden sollte.
Aber das ging gar nicht. Marleen und Björn hatten ein viel größeres Problem.
»Wir haben für solche Gespräche überhaupt keine Zeit.« Ich verkorkte die Flasche und nahm mein Glas in die Hand. »Prost, Marleen.
Ich hoffe, sie sind gut zu dir.«
Abwartend hielt Ines ihr Glas hoch. Sie trank nicht mit, sondern sagte: »Natürlich haben wir Zeit für solche Gespräche. Wir
sind zusammen in dieser Wohnung, es ist noch früh, wir müssen erst morgen wieder zum Frühstücksdienst, und Papa und Mama singen
deutsche Schlager. Also?«
»Ich mache mir wirklich Sorgen um Marleen.«
»Ich weiß.« Jetzt probierte Ines den Wein. »Mit Recht. Aber du kannst im Moment nichts ändern. Stattdessen kannst du versuchen,
das Beste aus dieser Situation zu machen. Also, dir zum Beispiel mal Gedanken über dich zu machen.«
»Ach, Ines. Bitte.« Mein Bein war eingeschlafen, ich setzte mich gerade hin. »Was für Gedanken soll ich mir machen?Johann ist in Schweden, ich bin hier, das ist im Moment keine gute Voraussetzung für eine Beziehung. Ich denke darüber nach,
wenn er wieder da ist.«
Meine Schwester schwenkte ihr Glas und sah hinein, als ob sie die Antwort auf alles dort finden könnte. Anscheinend hatte
sie Erfolg gehabt.
»Ihr passt überhaupt nicht zusammen.«
Schon früher hatte ich mich über ihre Art, Ansichten wie absolute Wahrheiten zu verkünden, maßlos aufgeregt.
»Was soll das jetzt? Du hast seit Jahren keine Beziehung mehr gehabt, aber kannst alles beurteilen? Das ist doch totaler Blödsinn.«
Ines lächelte mich an und schwenkte weiter. »Siehst du, wenn du sauer wirst, ist da etwas dran.«
Ich streckte mein aufgewachtes Bein wieder aus. »Ich bin nicht sauer. Ich finde nur, es geht dich nichts an.«
»Weil ich deine kleine Schwester bin? Oder weil du nicht zugeben willst, dass du wieder mal eine Sache weitermachst, nur weil
du irgendwann mal damit angefangen hast?«
»Du redest dummes Zeug.«
»Tue ich nicht.« Ines musterte mich interessiert. »Ich fange nur langsam an zu begreifen, wie du tickst. Soll ich es dir sagen?«
Ich ergab mich. »Das tust du doch sowieso gleich.«
Sie nahm es als Aufforderung. »Serielle Monogamie.«
Ihre Stimme klang triumphierend. Meine Schwester war verrückt geworden. Ich sah sie irritiert an.
»Wo hast du denn das gelesen? Weißt du überhaupt, was das ist?«
Sie legte den Kopf schief und musterte mich freundlich. »Dauernd einen Mann an der Seite, dem man unbedingt treu ist. Seit
du von zu Hause ausgezogen bist, hattest du immer eine Beziehung. Okay, nach deiner Scheidung war vielleicht mal ein knappes
Jahr Pause, aber da hattest du auch genug mitden ganzen Veränderungen zu tun. Ansonsten gab es immer einen Mann in deinem Leben.«
»Stimmt gar nicht.« Mein Protest kam ziemlich lahm und leise, ich ahnte bereits, dass sie recht hatte. Wenigstens ein bisschen.
»Doch.« Ines ahnte es auch. »Du würdest nie eine langweilige Beziehung beenden. Du willst nun mal nicht allein sein. Du machst
einfach weiter und wartest auf bessere Zeiten. Aber Johann ist fade. Und du wirst es langsam auch, merkst du das nicht?«
Statt zu antworten, trank ich. Was sollte ich auch zu diesem Unsinn sagen?
Ines griff zur Flasche, zog den Korken und schenkte uns Wein nach.
»Du bist so damit beschäftigt, deine triste Beziehung aufrechtzuerhalten, dass du dich überhaupt nicht umguckst. Du kümmerst
dich nicht um einen Job, nicht um eine neue Wohnung, nicht um dein Leben, nur weil Johann im Moment in Schweden ist und keine
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