Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
reagierte.
»Gisbert von Meyer ist in Christine verliebt. Und sie hat ihm eine Abfuhr erteilt. Mich kann er nicht leiden, weil er in der
Bar ganz normal bezahlen muss, obwohl er
die Presse
ist. Aber sonst ist alles normal. Und Sie, Heinz? Ihre reizende Gattin hat erzählt, dass Sie sich so gut mit deutschen Schlagern
auskennen. Ich liebe Schlager. Wir spielen jeden Mittwochin der Bar einen ganzen Abend nur deutsche Schlager. Heute ist es mal wieder so weit. Haben Sie nicht Lust, zu kommen? Cindy
und Bert und Bierchen und Salzstangen?«
Nach einem ganz kurzen Zögern und einem abschließenden Blick auf mich lächelte Heinz Pierre an.
»Wir duzen uns ja wohl. Sehr gerne. Nicht wahr, Charlotte? Da sind wir doch dabei. Dann setz dich mal hin, meine Frau hat
dich ja zum Essen geholt. Es gibt was Schwedisches, ich hoffe, du magst Rosinen.«
Aufatmend und mit leisen Schritten verließ ich rückwärts die Küche. Das war knapp gewesen, ab jetzt bräuchte ich noch viel
stärkere Nerven.
Ich brüllte sofort los, als kalte Finger mein Handgelenk umschlossen.
»Entschuldige«, Tom zog seinen Arm zurück, »ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Hast du aber. Ich meine, nein, also, ich war so in Gedanken.« Ich umklammerte mein Handy und ließ es wieder in der Jackentasche
verschwinden. »Ich wollte auch nicht schreien, tut mir leid.« Wir standen vor dem Eingang zur Rezeption.
»Schon gut.« Tom lächelte mich an. »Hast du Lust, mit mir einen kleinen Spaziergang zu machen?«
Nach dem Küchendurcheinander war ich zu Ines gegangen, um ihr Gisberts Theorien und Papas misstrauische Fragen zu schildern.
Meine Schwester blieb gelassen.
»Von Meyer ist einfach ein Wichtigtuer. Der ahnt doch nichts, der bläst sich nur auf. Und Papa müssen wir ablenken, das schaffe
ich schon. Locker bleiben, Christine, das ist das Wichtigste. Ach übrigens, ich habe dir dein Handy mitgebracht, du musst
es mal abhören, alle fünf Minuten ruft die Mailbox an.«
Ich nahm es in die Hand und las auf dem Display: »24 Anrufe«. Der Akku war zwar fast, aber noch nicht ganz leer. Auf der Anruferliste stand immer wieder Johann, ich wählte die
Nummer der Mailbox und hörte seine Stimme in vielfachen Varianten: »Meine Güte, wo steckst du denn die ganze Zeit? Macht ihr
da eine Party nach der anderen oder was ist los? Bis später.« – »Ich bin’s noch mal. Ruf mich bitte an.« – »Ich habe zwar
keine Ahnung, warum du nicht an dein Handygehst, aber dann ist es eben so. Schade.« – »Christine, das kann doch nicht wahr sein. Geh endlich ran.« – »Hallo? … Schon wieder geht keiner ran. Also, so viel könnt ihr doch auch nicht zu tun haben. Melde dich so schnell wie möglich.«
Und so weiter.
Meine Schwester hatte mich beim Abhören beobachtet. Als ich das Handy sinken ließ, sagte sie: »Geh einfach mal ein Stück am
Meer entlang. Zum Sortieren. Und ruf ihn an.«
Ich lächelte sie tapfer an und ging raus, um Johann anzurufen. Natürlich sprang jetzt seine Mailbox an. Bevor ich eine Nachricht
hinterlassen konnte, hatte Tom mich eingeholt und meine Hand umklammert.
Jetzt liefen wir nebeneinander die Promenade entlang. Der Himmel war bewölkt, meine Gedanken auch. Ich musste unbedingt herausfinden,
was genau Tom beruflich machte. Vermutlich war er Journalist, wichtig war, von welcher Sorte. Ich musste die Frage gut formulieren,
er sollte ja nicht misstrauisch werden.
»Und?« Er gab sich nicht viel Mühe mit der Formulierung.
»Was und?« Von der Seite sah ich zu ihm hoch. Er sah George Clooney doch ein bisschen ähnlich. Vor allem, wenn er so schräg
runterguckte. So wie jetzt. Wenn nicht alles andere so schwierig gewesen wäre, hätte ich Herzklopfen bekommen. Aber alles
andere war schwierig.
»Was hast du denn in den letzten Jahren so gemacht?« Eine schöne Stimme hatte er auch noch immer. »Hast du geheiratet? Hast
du Kinder?«
»Nein.« Ich gab meiner Stimme Festigkeit. »Ich habe keine Kinder. Aber schon mal geheiratet. Die Ehe hat aber nicht gut funktioniert,
deshalb bin ich geschieden. Ich wohne jetzt in Hamburg, in einer Wohnung, aus der ich spätestens nächstes Jahr rausmuss, weil
das Haus saniert werden soll. Ich arbeite im Moment freiberuflich für eine Frauenzeitschrift, nachdem mein letzter Job im
Verlag wegrationalisiert wurde, mein …«Ich schluckte, das waren vielleicht zu viele Informationen. »Es ist im Moment nicht meine beste Zeit.«
Das war eindeutig zu
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