Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
wenig Information. Aber geschmeichelt.
»Und du? Was machst du so beruflich?«
Ich fand meine Frage gelungen und wartete gespannt auf die Antwort.
»Ich bin Journalist. Beruflich läuft es gut, mein Privatleben ist ein Desaster. Ich bin seit zwei Jahren getrennt, arbeite
zu viel und fahre jetzt auch noch mit Mutti in die Ferien. Ist doch traurig, oder?«
»Sei froh, dass du Mutti noch hast.«
Was ritt mich eigentlich, solch einen Satz zu formulieren? Tom guckte mich an und sagte: »Was ist denn mit deinen Eltern?«
»Och, alles gut.« Ich versuchte es anders.
»Journalist also? Bist du angestellt oder musst du dir auch ständig selbst Aufträge besorgen?«
»Ich bin seit über zehn Jahren beim ›Augenblick‹.«
Ich zuckte nur leicht zusammen. Also ein Nachrichtenmagazin, kein Sensationsjournalismus.
»Und für welche Rubriken schreibst du so?«
Tom ging etwas langsamer und kniff seine Augen zusammen. »Ich leite das Ressort ›Politik und Gesellschaft‹ … Sag mal, ist das da hinten meine Mutter?«
Tom beschleunigte seine Schritte, nach einem kurzen Moment beeilte ich mich auch.
Auf der Höhe der Kurklinik saß Frau Hansen auf einer Bank und blickte entspannt aufs Meer. Neben ihr stand ein Fahrrad. Als
wir die Bank erreichten und vor ihr stehen blieben, blickte sie hoch und lächelte.
»Na, ihr beiden. Seid ihr wieder zusammen?«
Ich würde nie wieder behaupten, dass mein Vater indiskret sei.
Tom zeigte sich nicht verwundert, er setzte sich neben sie und fragte: »Mutti, was ist das denn für ein Fahrrad?«
Erstaunt sah sie ihn an. »Meins. Das kennst du doch. Schließlich haben wir es zusammen gekauft.«
Er atmete tief ein und schob seinen Arm unter ihren. »Das hast du wohl verwechselt. Guck mal, dein Fahrrad steht bei dir zu
Hause im Keller. Wir haben doch gar keine Räder mitgenommen, weil wir uns hier welche leihen wollten.«
Ihr Gesichtsausdruck wurde einen Moment unsicher. Dann zog sie ihren Arm weg.
»Das ist völlig egal. Du bist genauso so humorlos wie dein Vater. Man kann sich ja mal irren. Es sieht wirklich genauso aus
wie meins. Und es war nicht abgeschlossen.«
Geduldig strich Tom seiner Mutter über die Hand. »Weißt du denn noch, wo es stand?«
»Natürlich. Ich bin ja nicht verkalkt.«
Irgendetwas in ihren Augen und an seiner Reaktion schnürte mir den Hals zu. Tom hatte vermutlich im Moment andere Probleme,
als sich unter einem Vorwand bei uns einzuschleichen. Ich ging vor beiden in die Hocke und sagte leise: »Ich muss wieder zurück.
Wir sehen uns später, okay?«
Tom nickte mir resigniert zu. Seine Mutter beugte sich vor, griff nach meinem Kragen und zog leicht daran.
»Weißt du was, Christine? Ich bin froh, dass ihr wieder zusammen gekommen seid. Diese blöde Beate konnte ich nie leiden.«
Das Handy erlöste mich auf dem Rückweg von meinen Gedanken. Ich blieb stehen und zog es aus der Jacke.
»Hallo, Johann.«
»Du kennst mich noch? Das ist ja eine Überraschung. Ich versuche seit gestern Nachmittag, dich zu erreichen. Aber das ist
ja unmöglich.«
Gestern Nachmittag hatte ich sogar noch an ihn gedacht.Da gehörte er zu den Dingen in meinem Leben, die ich für Probleme gehalten hatte. So schnell war alles relativiert worden.
»Das tut mir leid. Aber hier ist so viel passiert, dass ich nicht mal Zeit zum Telefonieren hatte.«
»Wieso? Was denn?«
Der Glückliche hatte doch nicht den Hauch einer Ahnung, was hier abging. Und ich durfte ihm nichts sagen. Ich wollte es auch
nicht, zumindest nicht am Telefon. Falls es abgehört wurde. Jetzt bekam ich schon wieder Paranoia.
»Christine? Bist du noch dran?«
»Ja. Übrigens, meine Eltern sind gekommen. Du kennst sie ja. Wo sie sind, wird es unruhig.«
»Das ist aber kein Grund, nicht anzurufen.«
»Natürlich nicht. Und ich …«
Ein schriller Ton unterbrach meinen Versuch, die Stimmung zu retten. Damit war zu rechnen gewesen, der Akku hatte schließlich
lange genug durchgehalten. Manchmal gaben technische Geräte auch im richtigen Moment den Geist auf.
Dankbar schob ich das völlig funktionsunfähige Gerät in die Tasche und marschierte mit langen Schritten auf die Pension zu.
»Was hast du denn vor?«
Meine Schwester hatte so verblüfft gefragt, dass ich mich sofort umdrehte. Mein Vater trug eine dunkelblaue Hose, ein schwarzes
Hemd, eine grüne Windjacke und eine rote Krawatte.
»Ich gehe zum Schlagerabend in die Bar.« Er zog seinen uralten Kamm aus der Hosentasche und
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