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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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drehte ich mich um und starrte sie an.
    »Was hat er? Und dann?«
    Meine Schwester lächelte mich an. »Ich habe zurückgeküsst. Es war schön. Wann hattest du das letzte Mal so ein Gefühl?«
    Mir wurde ganz komisch. »Du hast Gregor Morell geküsst? Bist du völlig bescheuert? Der ist mit seiner Geliebten hier. Die
     ihn wahrscheinlich aushält. Bist du noch ganz bei Trost?«
    Ines blieb gelassen und friedlich. »Es ist nicht so, wie es aussieht. Das hat er mir gesagt. Und sei bitte nicht so furchtbar
     moralisch. Es ist ja nichts weiter passiert, du musst dich gar nicht aufregen.«
    »Ich rege mich aber auf. Das kann doch nicht dein Ernst sein. Gregor Morell. Hast du mal überlegt, was der noch hier machen
     könnte? Er ist Fotoreporter. Vielleicht ist er wegen Marleen hier. Vielleicht will er Fotos machen und die verkaufen. ›Die
     Pension der Sextouristin‹, ich sehe es schon vor mir. Ich hoffe, du hast ihm wenigstens nichts erzählt.«
    »Also bitte.« Ines knallte ihr Glas auf den Tisch. »Du mit deinem Verfolgungswahn. Ich hätte besser nichts gesagt. Mit dir
     kann man überhaupt nicht reden. Geh lieber Zähne putzen. Gute Nacht.«
    Sie riss eine Zeitschrift vom Tisch und tat so, als würde sie lesen. Ich starrte sie immer noch an, leider fiel mir kein passender
     Satz ein. Ich war einfach nur sauer auf meine Schwester. Sie sollte es wissen, deshalb drehte ich mich hektisch um, verließ
     den Raum und schlug die Tür zu. So laut ich konnte.

Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr gejoggt, jetzt wusste ich auch, warum. Schwer atmend blieb ich stehen und stützte meine
     Hände auf die Oberschenkel. Ich hatte das Gefühl, mein Brustkorb würde jeden Moment explodieren.
    Die ganze Nacht hatte ich wirres Zeug geträumt. Johann und Eleonore Stehler hatten ein schwedisches Restaurant eröffnet, Gregor
     Morell war mit meiner Schwester auf Hiddensee, Tom wohnte plötzlich bei meinen Eltern, ich war Kandidatin bei einer Fernsehshow,
     verstand keine einzige Frage, weil der Quizmaster nicht deutsch sprach, und Adelheid hatte Pierre an einen Wäschepfahl gebunden
     und sich geweigert, ihn freizulassen.
    Ich wartete, bis das Atmen nicht mehr so wehtat und ging dann langsam, aber wenigstens aufrecht weiter. Allmählich wurde es
     hell, es war vielleicht halb sieben, aber ich war schon vor etwa einer Stunde aufgewacht und meinen Gedanken regelrecht davongelaufen.
     Im Gehen holten sie mich wieder ein.
    Ines hatte sich gestern Abend richtig in Rage geredet, es war blöd von mir gewesen, einfach ins Bett zu gehen. Ich hätte das
     Gespräch nicht so schnell abbrechen dürfen, sondern mit ihr in Ruhe sprechen müssen. Jetzt würde sie nichts mehr erzählen,
     zumindest nichts mehr von Gregor Morell. Aber geküsst? Wie war das bloß passiert? Und wann? Und wieso hatte ich davon nichts
     mitbekommen? Hatte es überhaupt jemand bemerkt?
    Lauter Fragen, die ich nach meiner gestrigen Reaktion nicht mehr stellen konnte. Ich ärgerte mich über mich selbst.
    Auf der anderen Seite hatte sie sich in der Tat zu weit vorgewagt.Sie hatte Johann von Anfang an langweilig gefunden, obwohl sie ihn nicht besonders gut kannte. Sie vertrat die Meinung, dass
     er nur meine schlechten Seiten ans Licht brachte. Angeblich gab ich mich ständig schlecht gelaunt, antriebslos, unlustig,
     ungesellig und humorlos, seit ich mit ihm zusammen war.
    Mit zusammengebissenen Zähnen trabte ich langsam wieder an. Lieber Schmerzen in der Brust als diese wirren Gedanken im Kopf.
    Ich hatte fast das Ende der Mühlenstraße erreicht und lief links in die Benekestraße, als ich an der Kreuzung Jurek erkannte.
     Er fuhr mit dem Fahrrad auf mich zu.
    »Christine?« Erstaunt hielt er an. »Machst du das jeden Morgen?«
    »Um Himmels willen.« Mühsam rang ich nach Luft und stemmte dabei meine Hände ins Kreuz. »Nur in Notfällen. Ich konnte nicht
     schlafen. Wie spät haben wir es überhaupt?«
    Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Viertel vor sieben.«
    »Dann muss ich mich beeilen. Ich will noch duschen. Bis später.«
    Beim Loslaufen drehte ich mich um. Vor lauter Luftholen hatte ich vergessen zu fragen, was er um diese Uhrzeit hier wollte.
     Mit letzter Kraft schleppte ich mich auf den Hof und direkt vor Adelheids Füße.
    »Wie siehst du denn aus?« Ihr Blick wanderte über meine uralte Jogginghose, die ausgetretenen Turnschuhe, die gelbe Windjacke
     und meine angeklatschten Haare.
    »Nimm dir genügend Zeit zum Duschen, ich habe schon mit dem Frühstück

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