Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
kein Wort.«
Gesa saß wie angewurzelt da. Jetzt starrte mein Vater sie an. Sie machte eindeutig das schlechteste Pokergesicht. Wie in Zeitlupe
klappte sie den Mund erst auf, dann wieder zu, schließlich sagte sie: »Wer hat es euch denn gesagt?«
Ines und ich feuerten böse Blicke auf sie ab, was von meiner Mutter erstaunt beobachtet wurde.
»Wieso guckt ihr eigentlich so komisch? Interessiert euch nicht, was da los ist?«
»Genau.« Mein Vater schüttelte den Kopf. »Ihr seid so mit euch selbst beschäftigt, dass kein Platz für eure Mitmenschen ist.
Du bist da ganz anders, Gesa, das merke ich schon.«
Hans-Jörg stand immer noch in der Tür und mischte sich ein: »Könnt ihr das nicht nachher besprechen? Wir müssen doch jetzt
einkaufen gehen, und ich habe so viel auf dem Zettel, und es ist gleich neun, und wir …«
»Ja, Hans-Jörg, ich komme.« Ich drehte mich wieder um. »Das kann ich euch jetzt nicht so schnell erklären. Und Ines und Gesa
müssen mit den Zimmern anfangen, sonst werden wir nie fertig und …«
»Pierre hat es uns selbst erzählt.« Meine Mutter hatte ihre Stimme erhoben. »Aber er hat nicht gesagt, warum.«
Das brachte mich aus dem Konzept. »Wieso Pierre?«
Gesa und Ines waren genauso verdutzt. Meine Schwester fragte zuerst: »Was hat er gesagt?«
»Na, das mit Adelheid.« Mein Vater wurde ungeduldig. »Was denn sonst?«
Ines atmete erleichtert durch. »Ach so. Das mit Adelheid. Was ist mit ihr?«
»Also ehrlich.« Hilfesuchend richtete er den Blick auf seine Frau. »Das wollen wir ja gerade herausfinden. Pierre war ihr
Mieter, und jetzt spricht sie nicht mehr mit ihm. Und ernicht mehr mit ihr. Da ist bestimmt irgendetwas Schreckliches passiert. Darum muss man sich schleunigst kümmern.«
»Pierre will nicht über Adelheid reden. Sie ist keine nette Frau, hat er gesagt.« Hans-Jörg war immerhin Pierres Nachbar,
da konnte er auch einen Beitrag leisten. »Und sie redet schlecht über ihn. Aber ich finde sie nett.«
»Siehst du.« Heinz fuchtelte mit dem Zeigefinger. »Kalli findet sie auch nett. Und ich finde Pierre sympathisch. Aber anscheinend
gibt es da ein Geheimnis in der Vergangenheit, das man aufdecken muss. Sie müssen sich doch mal versöhnen. So schlimm kann
es nicht gewesen sein, egal was passiert ist. Also, ihr wisst auch nichts?«
»Nein.« Unsere Erleichterung war fast greifbar. Ich legte kurz meine Hand auf die Schulter meines Vaters. »Vielleicht findet
ihr ja was raus. Ich muss jetzt los. Bis später.«
Gesa und Ines folgten mir in den Hof. Während ich das Auto aufschloss, sahen wir uns an.
»Das war knapp«, sagte meine Schwester, und mit einem Blick zu Gesa: »Du musst dich konzentrieren. Wenn du so wie gerade eben
guckst, kann dich wirklich jeder aushorchen. Denkt dran: Klappe halten.«
Gesa guckte uns schuldbewusst an. »Ich bin so müde. Aber wenigstens haben Heinz, Kalli und Charlotte jetzt eine Aufgabe, um
die sie sich kümmern können. Das lenkt ab.«
Ich hob kurz die Augenbrauen. »Na gut. Also, bis später.«
Die Einfahrt zum Hof sah anders aus, als wir vom Einkaufen zurückkamen. Ich trat so abrupt auf die Bremse, dass der Motor
ausging und Hans-Jörg, der sich schon abgeschnallt hatte, fast mit dem Gesicht an die Scheibe knallte.
»Was ist denn hier passiert?«
Entsetzt starrte ich auf die Buchsbaumhecke, die nur noch einen knappen Meter hoch war. Dafür konnte man jetzt eine Wasserwaage
oben drauflegen. Marleen würde einen Anfall kriegen. Aus zwei Meter Sichtschutz war eine englische Beeteinrahmung geworden.
Die abrasierten Reste lagen aufgetürmt vor der Garage, natürlich so, dass man das Tor nicht aufbekam, ohne das Zeug beiseitegeräumt
zu haben.
»Das sieht sehr ordentlich aus.« Hans-Jörg schnallte sich wieder an. »Viel heller.«
»Ordentlich?« Fassungslos startete ich den Wagen, um ihn fünf Meter näher an die Garage zu manövrieren. »Marleen wird ausflippen.
Da hat doch irgendeine Gartenbaufirma eine Adresse verwechselt. Der Idiot, der das gemacht hat, kann was erleben.«
Wütend parkte ich das Auto, stieg aus und ging mit langen Schritten ins Haus.
»Ines?«
Keine Antwort.
»Gesa?«
In der Küche saßen Hanna und meine Mutter am Tisch, hörten Radio und wickelten Dosenspargel in gekochten Schinken. Als ich
die Tür aufstieß, sahen sie erschrocken hoch.
»Knall doch nicht so mit den Türen. Man kann auch leise reinkommen.«
»Habt ihr mitbekommen, welche Firma das war?«
Hanna
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