Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Hausdame
glauben würde, dass einer ihrer Gäste Dosenananas verloren hätte, bezweifelte ich. Ich musste mir etwas anderes überlegen.
Auf der Höhe des »Seestegs« radelte ich so langsam, dass ich fast umkippte. Von dem Mann war weit und breit nichts zu sehen.
Also trat ich wieder kräftiger, um in Schwung zu kommen. Ich hatte auch keine Zeit, Nachforschungen zu betreiben, vermutlich
hielten die fehlenden Dosenananas bereits den gesamten Kochbetrieb auf.
Die sterblichen Überreste der einst so stolzen Buchsbaumhecke waren tatsächlich weggeräumt, sodass ich das Garagentor öffnen
und das Fahrrad hineinschieben konnte.
Bevor ich die Hintertür erreicht hatte, trabte Tom mit hochrotem Kopf in den Hof.
»Du bist aber schnell.« Ich ließ die schwere Tasche auf den Boden sinken und wartete einen Moment, bis er vor mir stand. »Das
war ja Streckenrekord.«
Er lehnte sich an die Wand und rang nach Luft.
»Nur die letzten Meter«, stieß er hervor, »der Rest war ganz gemütlich. Zum Schluss musste ich sprinten.«
»Ehrgeiz?« Ich hob die Tasche wieder hoch.
»Nein.« Er grinste mich verlegen an. »Flucht. Ich habe meinen obersten Chef auf der Promenade gesehen. Dem wollte ich jetzt
nicht begegnen.«
»Ist der so doof?«
Langsam ging ich an ihm vorbei zur Tür. Tom folgte mir mit seinem Blick.
»Eigentlich nicht. Aber er muss mich ja hier nicht beim Joggen sehen.«
Ich blieb erneut stehen. »Wieso? Das ist doch nichts Schlimmes.«
»Ich habe eigentlich keinen Urlaub. Das braucht ja niemand merken. So, ich muss unter die Dusche. Also, bis heute Abend.«
Er verschwand im Haupteingang, und ich machte meinen Mund wieder zu. Was meinte er damit, dass er keinen Urlaub hatte? Aber
er war doch mit seiner Mutter hier? Das sollte ermir bei »Sergio« erklären. Und ab jetzt würde ich etwas misstrauischer sein.
Ich lieferte meine Dosen in der Küche ab, bekam kein Dankeschön, hatte es im Grunde auch nicht erwartet und ging wieder. Im
Flur stieß ich fast mit Adelheid zusammen, die mit geröteten Wangen gerade hereinkam.
»Hallo, Adelheid, war es schön am Leuchtturm?«
»Ja.« Sie nickte zufrieden und zog ihre Jacke aus. »Sehr schön. Du solltest auch mal ein bisschen an die Luft gehen, du siehst
schlecht aus.«
»Danke.«
Meine Antwort ignorierend, schob sie sich an mir vorbei, legte ihre Hand auf die Küchentürklinke und sagte: »Was machst du
jetzt?«
»Ich …«
»Gut. Dann bring doch Herrn Bernd eine Kanne Kaffee auf sein Zimmer. Er muss arbeiten, das fällt ihm mit einer schönen Tasse
Kaffee bestimmt leichter. Und leg ein bisschen Gebäck dazu.«
»Gerne doch. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.«
Ich folgte ihr in die Küche, wo sie, ganz anders als ich vorhin, begeistert empfangen wurde.
Adelheid hatte es sich nicht nehmen lassen, das Tablett selbst herzurichten. Ich hatte damit gerechnet, dass sie noch mit
der Blumenschere bewaffnet in den Garten gehen würde, um Marleens Rosen abzuschneiden. Aber sie hatte sich mit der herzförmigen
Ausrichtung der Kekse begnügt. So ausgeprägt war ihre romantische Ader nun doch nicht.
Sehr vorsichtig, um die Keksbotschaft nicht durcheinanderzuschütteln, stieg ich die Treppe zu Guntram Bernds Zimmer hoch.
Vor der Tür musste ich umgreifen, um klopfen zu können. Bevor ich das geschafft hatte, hörte ich seine Stimme.Die Tür war nur angelehnt. Meine erhobene Hand verharrte vor dem Klopfen.
»Also, sobald du etwas über ihn herausgefunden hast, meldest du dich. Ich habe hier alle möglichen Leute gefragt, aber anscheinend
weiß niemand etwas über ihn. Nach ihr habe ich jetzt nicht mehr gefragt, das Personal kennt sie natürlich, aber viel mehr
bekommt man nicht heraus.«
Ich hielt die Luft an und konzentrierte mich darauf, das Tablett gerade zu halten.
»Ich hatte von Anfang an ein komisches Gefühl. Die Geschichten, die sie erzählt, stimmen doch hinten und vorne nicht. Das
habe ich im Gespür.«
Meine Hand verkrampfte sich. Der Teelöffel klirrte leise auf der Untertasse. Nicht fallen lassen, dachte ich, bloß nicht fallen
lassen. Ich hörte Guntram Bernds Schritte im Zimmer. Seine Stimme war jetzt weiter weg. Ich atmete vorsichtig aus.
»Verbleiben wir so. Du meldest dich, ja? Bis bald, tschüss.«
Ich hatte es gewusst. Es war alles Tarnung: die Lesung, die Wanderungen mit Adelheid, alles. Er schnüffelte herum, ich fragte
mich nur, in wessen Auftrag. Und er machte sich an Adelheid heran, um
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