Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
an den Tisch und riss die Tüte mit den Plastikstäbchen auf.
»Wo ist denn der Rest der Truppe?«
»Papa und Kalli gucken Kallis Schallplatten durch.« Ines schob sich einen zu groß geratenen Käsewürfel in den Mund. »Und Jurek
und Hans-Jörg holen eine Anlage und die Boxen.« Letzteres kam sehr undeutlich.
Erstaunt drehte ich mich zu meiner Mutter um. »Wozu das denn?«
»Wir machen ein bisschen Atmosphäre.« Sie sah mich zufrieden an. »Das Buffet alleine wäre doch langweilig. Wir haben schon
alles fein geschmückt, und die Männer legen zum Essen schöne Platten auf. Original Siebziger. Das wird wie früher auf unseren
Partys. Das gleiche Essen, die gleiche Musik, nur mehr Falten.«
»Und mehr Bauch und weniger Haare.« Hanna lachte. »Adelheid hat noch zwei Packungen Glitzerkonfetti zu Hause, die holt sie
gerade.«
»Hoffentlich kann man das Zeug einfach wegsaugen.« Gesa beugte sich über die Schale mit den Weintrauben und zupfte die Stängel
ab. »Ich habe keine Lust, diese Glitzerteilchen morgen mit der Hand vom Fußboden zu pulen.«
Mir fiel kein einziger Kommentar dazu ein. Kaum überließ ich die Küche meiner Mutter und Hanna, machten sie ein riesiges Tamtam
um das Abendessen. Glitzerkonfetti und Schlager, ich wollte mir überhaupt nicht vorstellen, was Marleen sagen würde. Nur eines
verstand ich nicht:
»Und das findet Adelheid gut?«
»Ja, natürlich.« Meine Mutter schnitt Ananasringe klein. »Sie ist richtig begeistert. Herr Bernd tanzt nämlich für sein Leben
gern, außerdem will sie Pierre mal zeigen, wie man eine richtige Schlagerparty organisiert. Gestern Abend in der Bar gab es
ja nicht einmal Salzstangen, nur Musik und Getränke.«
»Mama.« Ines war auch ein bisschen irritiert. »Wir reden eigentlich von einem Abendessen. Die Gäste haben Halbpension. Sie
wollen doch keine Party. Was macht ihr denn, wenn jemand diese Musik nicht mag?«
»Das gibt es nicht.« Mein Vater hatte die letzte Frage gehört und beantwortete sie beim Hereinkommen. »Kalli hat so tolle
Platten, da ist für jeden etwas dabei.«
Er griff sich einen fertigen Käsespieß und setzte sich damit auf die Fensterbank.
»Den meisten Gästen haben wir es schon heute Mittag gesagt, alle freuen sich. Ihr müsst ja nicht mitmachen.«
»Das fehlt auch noch.« Ich produzierte inzwischen routiniert meine Häppchen und stellte ein kirschgekröntes Gebilde nach dem
anderen auf die silberne Platte. »Außerdem bin ich zum Essen verabredet.«
Wie aus der Pistole geschossen fragte mein Vater: »Mit wem?«
Ohne ihn anzusehen, antwortete ich sehr freundlich: »Mit Tom Hansen. Ich bin mit ihm früher zur Schule gegangen, habe ich
doch erzählt. Wir wollen zum Italiener.«
»Was sagt eigentlich Johann zu deinem, wie sagt man: Lotterleben?«
Diese Frage schlug ein wie eine Bombe. Alle außer mir hielten inne und starrten erst meinen Vater und dann mich an. Ich spießte
in aller Ruhe weiter.
»Heinz.« Meine Mutter sagte als Erste etwas dazu. »Chris tine , was meint er?«
Ich schwieg, er hatte garantiert noch mehr auf Lager. Und richtig.
»Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass sie in einem Waldstück in der Nähe von Neumünster eine zerstückelte Leiche
gefunden haben. Als sie sie wieder zusammengesetzt hatten, das können die heute nämlich, stellte sich heraus, dass es sich
um eine Frau handelte, die in ihrer Freizeit Internetbekanntschaften pflegte. Die schrieb sich immer mit fremden Männern.
Und einer von denen war verrückt und hat sie nach ihrem Treffen zerhackt. So.«
»Sag mal«, Hanna schnippelte weiter, »was liest du bloß immer für Zeitungen? Ich denke, sie kennt den Hansen aus der Schule.
Oder, Christine?«
Ich nickte. »Richtig.«
»Ja, den.« Mein Vater betrachtete mich mit schmalen Augen. »Aber es gibt ja hier noch mehr Männer, die plötzlich nach Christine
fragen. Ich war aber auf Zack und habe nichts verraten. Seit wann machst du denn im Internet solche Geschichten?«
Ines und Gesa guckten verständnislos zwischen mir und meinem Vater hin und her.
»Papa.« Entschlossen rammte ich den nächsten Spieß in einen Käsewürfel. »Gewöhne dir doch mal an, sofort und ganz schlicht
zu fragen. Der Typ hat mich verwechselt. ›Christine Schmidt‹ ist ja wirklich ein Allerweltsname. Diejenige, die er sucht,
wohnt im ›Germania‹. Er war vorhin noch einmal hier und hat das richtiggestellt.«
»Was hast du gegen den Namen?« Empört stand Heinz auf
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