Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Mütze.« Ich musterte ihn kurz und wischte dann meine Unsicherheit beiseite. »Heinz Schmidt. Ich bin Christine.«
Erleichtert atmete er aus. »Gott sei Dank. Die beiden haben Stein und Bein geschworen, dass dieser Name hier noch nie aufgetaucht
wäre, ich war schon völlig verunsichert. Warum macht Ihr Vater das?«
Achselzuckend sagte ich: »Mein Vater macht manchmal Dinge, die ich nicht verstehe. Wer sind Sie denn? Und was wollen Sie?«
»Entschuldigung.« Wenn er lächelte, hatte er Grübchen. »Ich bin David Bruhn.«
Er hätte mir auch ein Brett auf den Kopf hauen können. Der Boden wankte, und mir blieb die Luft weg.
»Sie sind …«
Ich konnte nur krächzen und ihn entsetzt anstarren. Anscheinend hielt er mich für blöd, deshalb schob er die Erklärung hinterher:
»Ich bin der Bruder von Björn. Ihren Namen habe ich von Ralf Kühlke. Und ich wollte mit Ihnen reden.«
Mit letzter Kraft suchte ich nach Worten. »Wir strengen uns so an, dass nichts herauskommt, und Sie tauchen hier einfach auf.
Sind Sie irre?«
Verwirrt schüttelte er den Kopf. »Nein, Sie verstehen das falsch. Ich habe niemandem etwas erzählt. Ich hatte keine Lust mehr,
zu Hause hilflos herumzusitzen und nur zu warten.Ich hatte gehofft, dass es hier einfacher würde, auch weil ich mal mit einem anderen Betroffenen reden wollte.«
Ärgerlich starrte ich ihn an. »Ich hoffe, Sie haben sich eine gute Geschichte für Ihren Besuch einfallen lassen. Was um alles
in der Welt haben Sie denn meinem Vater erzählt, warum Sie mich suchen?«
»Ich wusste ja nicht, dass es Ihr Vater ist.« Seine Verlegenheit ließ mich Böses ahnen. »Ich habe ihm gesagt, wir hätten uns
übers Internet kennengelernt. In einem Chat. Und dass ich Sie gerne einmal sehen wollte.«
»Um Himmels willen.« Noch mehr Lügen. Und die Aussicht auf ein baldiges Vier-Augen-Gespräch mit meinem Vater, der mich auf
die Gefahren den Internets und auf mein zerrüttetes Privatleben hinweisen würde. »Besten Dank auch. Das war wirklich sehr
clever.«
Zerknirscht sah er mich an. »Mir fiel so schnell nichts Besseres ein. Können wir nicht in Ruhe reden? Ralf Kühlke sagte, Ihre
Schwester und eine Mitarbeiterin wüssten ebenfalls Bescheid. Vielleicht setzen wir uns mal zusammen?«
Ich warf einen Blick zum Haus und auf den Weg, um mich zu vergewissern, dass uns niemand sah. Die Luft war rein.
»Ich rede mit Ines, das ist meine Schwester, und Gesa. Vielleicht können wir uns morgen Abend treffen. Wie kann ich Sie denn
erreichen?«
David Bruhn suchte in seiner Jackentasche nach Stift und Papier. Auf die Rückseite einer Quittung kritzelte er seine Handynummer
und gab sie mir.
»Okay.« Nachdenklich betrachtete ich den Zettel. Er hatte bei »Deckena« Pommes gegessen. Mit Ketchup. »Ich rufe Sie an. Aber
tun Sie mir den Gefallen und bleiben Sie von der Pension weg. Wir haben hier mindestens sechs Augenpaare, die sofort alles
registrieren. Und ich habe keine Lust mehr, mir eine Lüge nach der anderen auszudenken.«
»Alles klar.« Erleichtert steckte er den Kugelschreiber weg.»Jetzt habe ich Sie ja gefunden. Und ich freue mich darüber. Also, bis später.«
Ich sah ihm nach, als er mit langen Schritten den Weg zur Promenade hinunterlief. Er war bereits der Zweite, der sich meinetwegen
freute. Vielleicht gar nicht so übel, dass er hier war. Nun konnten wir gemeinsam die Verantwortung tragen.
Ines und Gesa waren zurück, ich erkannte die Stimme meiner Schwester, als ich am geöffneten Küchenfenster vorbeikam.
»Ich mag die Dinger nicht. Reine Chemie.«
»Du hast keine Ahnung.« Meine Mutter stand direkt am Fenster und sah mich. »Da bist du ja endlich, beeile dich, wir brauchen
Hilfe.«
Ich war erst an der Küchentür, als Hanna mir bereits ein Paket knallbunter Plastikstäbchen in die Hand drückte.
»Hier. Du kannst gleich anfangen, 150 Käsespieße. Unten Käse, dann Weintraube, wieder Käse, zum Schluss eine Kirsche. Ines schneidet Käsewürfel.«
Meine Schwester schnitt schon, hob aber fragend den Kopf.
»War was?«
Mit einem warnenden Blick auf meine Mutter und Hanna nickte ich kurz und sagte: »Nö. Gehen wir nachher mal ein Stück spazieren?«
»Erst wenn ihr fertig seid.« Der Ton meiner Mutter ließ keinen Widerspruch zu. »Und Gesa, leg die Cocktailkirschen einfach
hin. Ines soll sie ja nicht essen. Ines, deine Würfel werden immer größer, aus dem hier kannst du zwei machen.«
Ich setzte mich zwischen Gesa und Ines
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