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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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alten Zeiten.«
    »Danke.«
    Als ich mich auf dem Weg noch einmal umdrehte, sah ich meine Schwester in unveränderter Stellung nachdenklich an die Wand
     starren. Später würden wir uns wieder gemeinsam allen Herausforderungen dieser Welt stellen, aber nun knurrte mein Magen,
     und ich benötigte dringend eine Auszeit.

Durch das Duschpeeling war meine Haut ganz weich geworden. Während ich mich mit meiner teuersten Körperlotion eincremte und
     überlegte, ob ich das schwarze Kleid mit dem tiefen Ausschnitt oder lieber die violette enge Bluse zur schwarzen Hose anziehen
     sollte, fing es an zu regnen. Ich schraubte den Deckel auf den Cremetiegel und sah aus dem Fenster. Es goss sogar wie aus
     Kübeln. Und genau diese Tatsache kühlte mein Gehirn und meinen Hormonhaushalt wieder ab.
    Was machte ich hier eigentlich? Meine beste Freundin saß in einem arabischen Gefängnis, die Lügengeschichten in der Pension
     drohten aus dem Ruder zu laufen, ein bekannter Kriminalkommissar a. D. war uns auf der Spur, mein Lebensgefährte in Schweden
     hatte nicht die geringste Ahnung, was für ein Film hier gerade lief und dass ich unsere Beziehung immer mehr anzweifelte,
     und ich cremte mir das Dekolleté ein und rüschte mich auf, nur weil ich mit einem alten Schulfreund zum Essen verabredet war.
    Ich warf mir einen Bademantel über und ging ins Wohnzimmer, um mein Handy zu suchen. Es war noch Zeit, ich würde Johann jetzt
     einige Details erzählen, seine Stimme würde mich beruhigen, und ich könnte ihm endlich mal sagen, dass er mir fehlte. Und
     ihn bitten, am Wochenende wirklich zu kommen. Während ich seine Nummer im Adressverzeichnis suchte, schob sich Toms Gesicht
     in meinen Kopf und daraus folgend der Anflug eines schlechten Gewissens. Ich schüttelte mich, als würden sich die Gedanken
     dadurch auflösen. Das war ja alles Quatsch und dreißig Jahre her. Ich würde gleich in Jeans undPulli schlüpfen, und Schluss. Was hatte Ines neulich gesagt? Serielle Monogamie. Genau, treu bis zum Anschlag. Ich entspannte
     mich lächelnd und zählte die Freizeichen mit. Drei, vier, dann eine Stimme: »Gunilla Hagestroem.«
    Irritiert drückte ich den roten Kopf und hörte auf zu lächeln. Ich hatte die gespeicherte Nummer genommen, ich konnte mich
     nicht verwählt haben. Entschlossen benutzte ich die Wahlwiederholung. Jetzt sprang eine Mobilbox an. Es war Johanns Stimme.
     Und ich verwarf den Gedanken an Jeans und Pulli.
     
    »Violett steht dir.« Tom hatte mir meine tropfnasse Jacke abgenommen, die er jetzt an die Garderobe hängte. »Das ist aber
     auch ein Scheißwetter.«
    »Ja.«
    Ich blieb neben ihm stehen und wartete, bis er seinen ebenso nassen Mantel ausgezogen hatte. Er trug wieder diesen dunkelblauen
     Pullover, ich hätte mir das Aufbrezeln sparen können. Zumal diese Bluse sehr eng war, und ich mich jetzt schon unwohl darin
     fühlte.
    Der Kellner führte uns zu einem Tisch am Fenster und legte uns die Speisekarten vor. Was er sagte, drang überhaupt nicht zu
     mir durch, stattdessen hatte ich immer noch eine andere Stimme im Ohr: »Gunilla Hagestroem«. Schlampe.
    »Christine?«
    Ich fuhr hoch, der Kellner und Tom sahen mich beide fragend an.
    »Wie bitte?«
    »Ob du auch einen Prosecco möchtest? Oder lieber einen anderen Aperitif?«
    »Wein.« Es gab keinen Grund, sich hier mädchenhaft zu benehmen. »Ich nehme gleich einen halben Liter Regaliali.«
    Erstens war ich kein Mädchen mehr, zweitens war das mit Tom ewig lange her, und drittens würde ich niemals an fremdeHandys gehen. Auch wenn zwischen diesen Dingen kein einziger Zusammenhang bestand, ich fühlte mich im Recht.
    Der Kellner zog ab, und Tom beugte sich vor. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Sicher.« Ich konnte so lässig sein, wenn ich wollte.
    Sein Gesicht war besorgt. Durch die Feuchtigkeit kringelten sich seine Haare, eine Locke fiel ihm in die Stirn, was mich rührte.
    Ich hatte damals seine langen schwarzen Locken toll gefunden. Er war zwei Klassen über mir und unerreichbar, der schöne Tom
     Hansen, der mit den dunklen Augen und der gebräunten Haut aussah wie ein Italiener. Alle Mädchen meiner Klasse waren in ihn
     verliebt. Tom leitete die Schülerzeitung, er war der beste Leichtathlet der Schule, hatte die coolsten Klamotten, das schönste
     Lächeln und keine Freundin. Meine damalige beste Freundin Frauke und ich hingen stundenlang am Marktplatz herum, in dessen
     Nähe er wohnte, aufgeregt und begierig, wenigstens einen kurzen Blick

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