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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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auf ihn zu werfen, falls er zufällig mit dem Fahrrad
     vorbeifuhr. Ich hatte von keinem Menschen so häufig geträumt, wie von Tom. Vorher nicht und auch nicht später.
    Der Wein kam, Tom hatte denselben bestellt, wir tranken, und ich starrte ihn so lange an, bis er anfing zu lachen.
    »Was ist los mit dir? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Gehört, dachte ich und hob mein Glas.
    »Prost. Auf einen schönen Abend. Toll, dass es heute geklappt hat.« Meine Stimme war zu laut, ich senkte sie. »Mir fällt gerade
     dein gelbes Rennrad ein.«
    »Grün.« Toms Augen versanken in meinen. »Hellgrün. Man könnte auch Gelbgrün sagen. Aber richtig gelb war es nicht.« Er machte
     eine kleine Pause, dann sagte er: »Und ich erinnere mich, dass du einen dunkelroten Parka hattest. Mit so einer Fellbordüre
     an der Kapuze.«
    Er irrte. Mein Parka war, wie die aller anderen, olivgrün. Nur Frauke hatte einen anderen gehabt. Frauke hatte den dunkelroten.
     Aber ich wollte nicht kleinlich sein. Nicht jetzt. Also lächelte ich und trank weiter.
    Als der Kellner zurückkam, um die Bestellung aufzunehmen, wählte ich eine Pizza. Nicht weil ich Lust darauf gehabt hätte,
     sondern weil mir so schnell nichts anderes einfiel.
    »Pizza?« Über den Rand der Karte runzelte Tom die Stirn. »Möchtest du nicht etwas Edleres? Ich nehme den Steinbeißer.«
    Er klappte die Karte zu, ich folgte ihm und blieb bei der Pizza. Ich hatte sowieso keinen Hunger.
    Es war warm bei »Sergio«, langsam machte ich mir Gedanken, ob man auf violetten, etwas zu engen Blusen Schweißflecken erkennen
     könnte. Tom hatte es leichter, er zog plötzlich seinen dunkelblauen Pullover aus und legte ihn sorgfältig neben sich. Darunter
     trug er ein weißes Hemd, tailliert, man sah ihm an, dass er jeden Tag joggte. Ich fragte mich, warum er teure Hemden kaufte,
     und das war zweifelsohne ein teures, um sie anschließend mit diesem alten Pullover zu verhüllen. Johann trug fast nie Pullover.
     Er war immer so angezogen, als ob er gleich zu einem Geschäftsessen musste. Karrieretyp eben. Tom war anders.
    Er hatte meine musternden Blicke bemerkt und ordnete den steifen Kragen.
    »Meine Mutter hat für mich eingekauft. Drei Hemden, zwei Pullover. Sie wird es nie lassen, sich in mein Leben einzumischen.
     Geht es dir mit deiner Mutter genauso?«
    »Nein. Das ist bei uns anders verteilt. Meine Mutter hat sich um die Gardinen und die Bettwäsche meines Bruders gekümmert,
     zumindest solange er allein gelebt hat.« Ich machte eine kleine Pause. »Mein Leben, das ist der Job meines Vaters.«
    »Und deine Schwester?«
    »Die hat einen Freifahrtschein. Die Gnade der späten Geburt.Ines kann machen, was sie will, und anziehen, was sie will.«
    Tom nickte und seufzte. »Ich habe es so oft verflucht, der Ältere zu sein. Mein Bruder ist fünf Jahre jünger, hat in Berlin
     studiert und ist gleich dort geblieben. Er kommt nur zum Geburtstag meiner Mutter und zu Weihnachten vorbei, den Rest des
     Jahres habe ich sie am Hals. Aber alles, was mein Bruder macht, ist super.«
    »Und trotzdem fährst du mit deiner Mutter in den Urlaub. Das finde ich sehr nett.«
    »Eigentlich war das etwas anders geplant.« Er winkte dem Kellner zu und deutete auf die leere Weinkaraffe. »Du trinkst doch
     auch noch ein Glas, oder?«
    Er wartete mein Nicken gar nicht ab, sondern bestellte nach. »Eigentlich wollte mein Bruder mit ihr fahren, nur ist er dummerweise
     beim Tennisspielen umgeknickt und hat sich den Knöchel gebrochen. Deshalb bin ich eingesprungen. Das hat sie zwar enttäuscht,
     sie wäre schon lieber mit ihrem charmanten Jüngsten gefahren, aber das ging ja nun nicht. Leider, die zwei hätten sich auch
     viel besser verstanden.«
    Wein und Mitleid drängten mich dazu, meine Hand auf seine zu legen.
    »Worüber gibt es denn Streit?«
    Sein Blick verdüsterte sich. »Du hast es doch mitbekommen, diese Sache mit dem Fahrrad. Sie hat es tatsächlich vor einer Pension
     in der Heinrichstraße geklaut. Als wir da ankamen, war auch die Polizei schon da.«
    »Also komm«, wiegelte ich ab. »Sie hat es ja nicht wirklich geklaut, sie hat es nur verwechselt.«
    »Das ist im Ergebnis dasselbe. Aber das ist auch nur ein Beispiel. Sie wird so vergesslich, und mich macht das wütend. Im
     Gegensatz zu meinem Bruder, der kann sich über die Geschichten immer totlachen. Ich finde es nicht komisch.«
    »Meine Großmutter bestellte jeden Mittwoch bei einemFeinkosthändler zehn

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