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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Schwarzwälder Kirschtorten für die Konfirmation meiner Mutter. Sie wollte sie liefern lassen.«
    Mein schwacher Trost kam nicht richtig bei ihm an, er fragte nach: »Ja, und?«
    »Als sie das erste Mal bestellt hat, wurden die zehn Torten geliefert. Aber meine Mutter war damals schon vierundfünfzig.
     Zum Glück konnte sie es beweisen. Danach wurde die Bestellung wenigstens nicht mehr ausgeführt. Nur noch entgegengenommen.
     Sie kannten uns bereits.«
    Tom lächelte schief. »So weit ist sie noch nicht. Sie verwechselt Namen und Ereignisse, sie sagt ungehemmt, was sie denkt,
     manchmal ist das richtig peinlich. Und sie wird unglaublich egozentrisch.«
    »Egozentrisch ist mein Vater jetzt schon. Meine Mutter eigentlich auch. Sie haben das Recht darauf, finde ich, sie haben in
     ihrem Leben genug für andere gemacht. Überlege doch mal, sie haben erst ihre Kinder großgezogen und danach noch ihre Eltern
     gepflegt. Jetzt haben sie es geschafft. Und jetzt sind sie dran.«
    Das würde ich übrigens nie im Beisein meines Vaters wiederholen. Wer weiß, was er daraus machen würde.
    Tom legte nun seine Hand auf meine. Ob es der Wein, die Wärme oder das Elternthema war, wusste ich nicht. Aber er erschien
     mir plötzlich wieder sehr jung, und ich fand ihn aufs Neue unglaublich cool. Als er die Hand auch noch ergriff und meinen
     Handrücken kurz küsste, hatte ich weiche Knie. Obwohl ich saß.
    Das Essen kam, und so erübrigte sich eine Reaktion. Der Kellner schenkte Wein nach und nahm die leere Karaffe mit. Tom fing
     an zu essen und legte nach einem kleinen Moment des Schweigens das Besteck zur Seite.
    »Du bist eine kluge Frau. Auch wenn du mir damals das Herz gebrochen hast.«
    Vor Überraschung verschluckte ich mich an einem StückPizzarand und brauchte ein paar Sekunden, um den Hustenanfall in den Griff zu kriegen. Mit Tränen in den Augen sah ich ihn
     an.
    »Ich dir?« Ich musste etwas trinken, um die letzten Krümel aus der Luftröhre zu spülen. »Das ist ja wohl nicht dein Ernst.
     Du hast dreimal mit mir geschlafen und mich danach nicht wieder angeguckt.«
    An der Reaktion der Gäste am Nachbartisch merkte ich, dass ich schon wieder zu laut redete. Ich senkte meine Stimme.
    »Ich war krank vor Liebeskummer, und du hast dich nicht gemeldet. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum.«
    Jetzt war Tom überrascht. »Ich habe immer wieder bei euch angerufen und immer hieß es, du wolltest mich nicht sprechen. Und
     dann hat mir Jutta erzählt, du wärst jetzt mit Jens zusammen.«
    »Welche Jutta? Und mit welchem Jens?«
    Ich fragte mich, wer mehr durcheinanderbrachte, Tom oder seine Mutter?
    »Jutta   … ähm, auf den Nachnamen komme ich nicht mehr. Die war in deiner Klasse, glaube ich. Und Jens Dings, wie hieß der noch? So
     ein Blonder.«
    Langsam erhärtete sich mein Verdacht, dass Tom sich auch nicht mehr richtig an mich erinnern konnte.
    »Ich war nie mit einem Jens zusammen, in meiner Klasse gab es keine Jutta, und ich hatte übrigens auch nie einen dunkelroten
     Parka. Schon gar nicht mit Fell. Meiner war olivgrün.«
    Schnell griff ich nach meinem Weinglas und trank es aus. Als ich es mit Schwung wieder hinstellen wollte, brach der Stiel
     ab. Vorsichtig legte ich den Rest des Glases auf die Seite und stand auf.
    »Kannst du mir bitte ein neues Glas bestellen? Ich gehe mal zum Klo.«
    Ich ließ ihn mit offenem Mund sitzen und wankte den Gang entlang zu den Toiletten.
     
    Nachdem ich einige Liter kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen gelassen hatte und einmal mit dem Puderquast über mein
     Gesicht gefahren war, strich ich die violette Bluse glatt, öffnete einen Knopf mehr und hob das Kinn, bevor ich wieder zum
     Tisch zurückging.
    Es gab noch zwei Dinge zu erledigen: Erstens musste ich herausfinden, warum ein Journalist vom ›Augenblick‹ gerade jetzt bei
     Marleen gebucht hatte und sich vor seinem Chef versteckte. Wenn er keinen Urlaub hatte, wieso war er denn hier? Alte Liebe
     und Zufall hin oder her, Tom arbeitete für ein Magazin. Und ich durfte mich keinesfalls verplappern.
    Zweitens war es eine Unverschämtheit, dass er sich nicht mehr richtig gut an mich erinnerte. Als wenn ich so eine farblose
     Maus gewesen wäre. Er war der erste Mann meines Lebens, er sollte wenigstens bei den Tatsachen bleiben. Auch in Details. Ich
     würde mich rächen. Jetzt sollte er sich mal verlieben, und ich würde ihn vergessen. Nur damit er wusste, wie es sich anfühlte.
    Als ich an den Tisch

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