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Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
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aus dem Haus kommt. Christians Wohnungstür habe ich offen gelassen.
    Christian liegt auf der Couch, die Füße hochgelegt und ein aufgeschlagenes Buch auf der Brust. Keine Mirriam. Er guckt mich schlaftrunken an.
    »Hi«, sage ich. »Wollte dich nicht wecken.«
    Er schlägt das Buch zu und steht auf. Taumelnd geht er zum Bücherregal und zurück und dann hebt er langsam die Sofakissen, als wären sie sonst wie schwer. Ich muss ihn aus dem Tiefschlaf gerissen haben. Ich wundere mich, dass er nicht einfach wie ein Zombie in sein Zimmer wankt und ins Bett fällt. Ich ziehe an dem Griff unter dem Polster und das Bett lässt sich mit einem langen, metallischen Jaulen ausklappen. Christian bringt das Bettlaken, das auf dem Tisch liegt, und reicht mir eine Ecke. Zusammen falten wir es auseinander und schlagen die Enden unter die Matratze. So verhält sich kein WG-Genosse. So verhält sich ein Bruder.
    »Tut mir leid wegen Mirriam. Wegen heute Abend. Ich hätte dich nicht in unsere Probleme hineinziehen sollen.«
    Ach, jetzt verstehe ich. So verhält sich jemand, der ein schlechtes Gewissen hat.
    »Es war doch Mirriam, die mich hineingezogen hat. Mal abgesehen von ihren Kochkünsten, was findest du eigentlich an ihr? Junger Mann, reife Frau – ist es diese Nummer?«
    »Jace«, sagt er mit leisem Tadel in der Stimme.
    »Was? Bisher hab ich sie nur spionieren und zanken sehen.«
    »Na gut. Sie hat sich nicht gerade von ihrer besten Seite gezeigt, aber das ist meine Schuld. Ich habe sie in eine Situation gebracht, in der sie das Gefühl hatte, spionieren zu müssen, und so was liegt ihr im Grunde nicht.« Er zuckt mit den Achseln.
    »Und?«
    »Sie ist eine Kämpfernatur.«
    »Ja, so viel hab ich auch mitbekommen«, sage ich.
    »So meine ich das nicht. Sie lässt sich nur nicht jeden Blödsinn gefallen. Und du musst zugeben, dass sie ziemlich clever ist.«
    Ich nehme das Betttuch vom Tisch und reiche ihm zwei Ecken. »Hmmm«, sage ich wenig überzeugt.
    »Wo bist du eigentlich gewesen?«, fährt er fort. »Eine halbe Meile von hier ist ein Satellite-Café. Warst du dort?«
    Wir breiten das Betttuch aus. Er beugt sich vor und fängt an, die Falten glatt zu streichen. Er streicht und streicht, bis das Tuch ganz glatt ist. Und dann macht er weiter. Streich, streich. Ich lege den Kopf schief und beobachte ihn. Woher kommt nur dieses plötzliche Verlangen nach einer spiegelglatten Oberfläche auf einem Bett, das ich sowieso gleich durcheinanderbringen werde?
    »Hast du gedacht, ich komm nicht zurück?«
    Er greift nach der Decke auf dem Tisch und schüttelt sie auseinander. Ich hebe die Enden vom Boden auf und er sagt immer noch nichts. Sein Gesicht ist bleich, seine Kiefermuskeln sind verkrampft. Während wir die Decke zusammengefaltet ans Fußende des Bettes legen, denke ich: Er hat da draußen auf dem Sofa geschlafen und gewartet, ob ich zurückkomme, ob es unten klingelt. Vielleicht hat er gehofft, dass ich zurückkomme. Vielleicht hat er gehofft, dass ich nicht zurückkomme.
    Schließlich sagt er: »Wir haben dir ja nicht besonders viel Anreiz gegeben zu bleiben.«
    Ich bin zu durcheinander, um zu antworten. Will er etwa doch einen Bruder? Ich habe den leisen Verdacht, dass ich heute mitten in der Nacht aufwachen werde und plötzlich weiß, was ich hätte sagen sollen.
    Er setzt sich aufs Bett. »Wie wir damals zusammen die Decke angemalt haben, das hatte ich ganz vergessen.«
    Er guckt auf die Wand, aber es kommt mir vor, als würde er dahinterschauen, zurückschauen. Vielleicht sieht er uns jetzt wieder vor sich. Ich auf der Leiter, er auf der Anrichte.
    »Trotz Dad und alldem hatten wir doch auch schöne Momente«, sage ich und setze mich neben ihn.
    Er mustert mich und ich sitze kerzengerade. Nachdem er mich begutachtet hat, gibt er mir einen freundschaftlichen Klaps aufs Bein, eine Bist-schon-ein-guter-Kerl-Geste. Dann steht er auf und geht in sein Zimmer.
    »Gute Nacht«, ruft er über die Schulter.
    Ich kicke meine Schuhe in die Ecke, stelle fest, dass wir vergessen haben, mir einen Schlafanzug zu kaufen, und streife Jeans und T-Shirt ab. Ich schlüpfe unter die Decke. Viel besser als eine unebene Couch – eine unebene Matratze.
    Als ich da so liege, fällt mir ein, was ich auf sein »Wir haben dir nicht viel Anreiz gegeben zu bleiben« hätte sagen sollen.
    »Der Anreiz bist du.«

Kapitel 10
    Während meiner Mittagspause sitze ich an einem Computer im Medienraum und versuche meine Bilder in Photoshop zu bearbeiten.

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