Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
Vom Netzwerk:
Da höre ich die Tür aufgehen. Mirriam klackert zu mir herüber, mit diesen flachen Den-ganzen-Tag-auf-den-Beinen-Absätzen, die Lehrerinnen immer tragen. Sie lässt den Blick von einem Computerplatz zum anderen wandern, als registriere sie die totale Leere des Raumes, bevor sie sich neben mich setzt. Ich starre auf die Körner in meinem Pausenbrot.
    »Was machst du da?«, fragt sie, einen blauen Kaffeebecher in der Hand.
    Ich erkenne ihn von dem morgendlichen Teeritual, das sie jeden Tag mit Christian abhält: Wer gerade die blauen Becher hat, macht an dem Morgen den Tee und bringt ihn dem anderen rüber. Gehört zu ihrem ganzen Zweisamkeit-in-zwei-Apartments-Getue.
    »Ich bearbeite ein Bild.«
    Sie lächelt. »Isst du jeden Tag hier?«
    Ich zucke mit den Achseln. »Wie du selbst gesagt hast: Ich hab nicht viel Zeit und hier stört mich keiner.«
    »Außer mir«, meldet sich eine Stimme.
    Wir drehen uns beide um. Caitlyn kommt von der anderen Seite herein und fragt, ob sie störe.
    »Nein, nein. Ich muss sowieso los«, sagt Mirriam und geht klack, klack, klack aus dem Zimmer. In der Tür blickt sie sich noch einmal um, ein kleines Lächeln auf dem Gesicht. Jetzt komme ich ihr wohl nicht mehr ganz so armselig vor.
    Ich, Mr Plappermaul, weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Du fotografierst?« Sie öffnet eine Tupper mit Hummus und holt ein Fladenbrot raus. Sie beugt sich vor, um zu sehen, woran ich arbeite. »Wer ist denn das? Deine Freundin?«
    »Kollegin«, sage ich.
    »Aha. Wo arbeitest du denn?«, fragt sie und dann übernimmt Mr Plappermaul wieder die Regie.
    Bla, bla, »Buchladen«. Bla, bla, »Dakota«. Ich achte kaum darauf, was ich sage. Ich rede endlich mal wieder mit jemandem in meinem Alter. Jemandem, der mir zuhört.
    Als es klingelt und die anderen Schüler hereinströmen, entdeckt Eric uns. Er schiebt trotzig das Kinn vor und zerrt Caitlyn davon, um an irgendeinem Bioprojekt zu arbeiten, das sie zusammen machen. Den ganzen Nachmittag guckt er immer wieder zu mir rüber. Irgendwann werde ich ’ne ordentliche Abreibung bekommen.
    Dem Training hätte eine Lautsprecherdurchsage vorausgehen sollen: »Heute in der Rolle des Coach: Eric Beise.« Da der Coach mittwochs Lehrerversammlung hat, beaufsichtigt Eric die Aufwärmübungen.
    Wir scharen uns alle auf Kommando um ihn, doch Erics Augen wandern über den Kreis hinaus zum Spielfeldrand hinter mir. Ich folge seinem Blick hinüber zu Caitlyn. Neben ihr steht ihre Zweitausfertigung, Heather, die versucht, Caitlyns Pferdeschwanz zu kopieren, aber statt in einer eleganten, ordentlichen Welle auf und ab zu hüpfen, ist Heathers Haar widerspenstig und kräuselt sich.
    Als Caitlyn merkt, dass ich sie beobachte, ruft sie: »Ich wusste gar nicht, dass Fußballshorts so sexy sein können!«
    Ich grinse zurück.
    Als es ans Rundendrehen geht, reiht sich Tom, der rechte Stürmer, den ich auf die Ersatzbank verbannt habe, vor mir ein. Er muss mindestens fünfzehn Zentimeter größer sein als ich, also kann ich die Bahn vor ihm nicht sehen. Der Elefant auf meiner Brust ist nicht mehr ganz so schwer, aber ich bin immer noch am Ende der Truppe und warte darauf, dass sich das Viech hinsetzt und mir den Sauerstoff wegnimmt.
    »Letzter zum Ersten!«, brüllt Eric von vorne. Ein kollektives Stöhnen ist zu hören, unter das sich bald lautstarke Klagen mischen. »Echt, Eric. Komm schon, Mann!« – »Warum müssen wir unbedingt damit anfangen?«
    Ich hab keinen blassen Schimmer, wovon die reden, also halt ich den Mund und konzentriere mich auf meine Füße.
    »Letzter zum Ersten«, brüllt er wieder. »Marshall. Beweg dich.«
    Ich schere ein Stück zur Seite aus, um an Tom, dem Riesen, vorbeizusehen und zu beobachten, was dieser Marshall jetzt macht, wer auch immer das ist.
    »Marshall, verdammt.« Keiner reagiert. » MARSHALL !«
    Ach ja. Das bin ja ich. »Was?«, sage ich endlich.
    »Letzter zum Ersten. Los.« Eric verlässt seinen Platz an der Spitze der Truppe und wartet, bis ich ihn eingeholt habe. »Bist dir wohl zu schade für so einen Drill?«
    »Nun bleib mal locker, Eric«, sagt Tom. »Er kennt doch unsere Übungen nicht. Folge mir einfach, Jace.«
    Er schert aus der Reihe aus und verfällt in einen Sprint, die langen Beine wirbeln über die Bahn. Ich schwinge meine Arme schneller und meine Beine versuchen automatisch, Schritt zu halten (ein Trick, den mir Christian damals beigebracht hat). Ich merke nicht einmal, dass ich aus der Puste gerate oder erschöpft bin, bis

Weitere Kostenlose Bücher