Kein zurueck mehr
tatsächlich so vor, als wäre das Leben wieder ein bisschen normal, als hätte ich einen Platz für mich gefunden.
Als Eric reinkommt, klappt Caitlyn der Unterkiefer herunter, bevor sie es verbergen kann. Er hat es doch noch geschafft. Großartig . Caitlyn rutscht zu mir rüber, um ihm Platz zu machen. Aber als Eric sich neben sie setzt, sagt sie: »Ach, sei doch so lieb und hol mir eine Cola.« Als er damit zurückkommt, hat sie den Ellenbogen auf den Tisch gestützt und sich zu mir gewandt. Ihre Körpersprache signalisiert ihm eindeutig, dass er hier außen vor ist. Ich steige darauf ein und flirte zurück, während Eric mit hängenden Schultern auf ihrer anderen Seite sitzt und kalte Pizza isst. Ich bin wieder der Dreckskerl, aber diesmal ist es für einen guten Zweck.
Ein paar Tage später sitze ich auf einem Hocker mitten in Dakotas Küche, mit nacktem Oberkörper. Meine Schultern und mein Nacken sind mit luftdichter, feuchter blauer Plastikfolie abgedeckt und auf dem Fußboden unter mir liegt Zeitungspapier.
»Bist du sicher, dass du deine Haare färben willst?«, fragt Dakota zum dritten Mal.
»Bist du sicher, dass du das kannst?«
»Douglas’ Haare hab ich auch gemacht.«
»Echt? Dann bist du aber gut.«
Sie deutet eine Verbeugung an.
»Meinst du, es wird gut aussehen?«, frage ich.
Sie zuckt die Achseln. »Mir gefällt, wie es jetzt aussieht.«
Ich denke an das blonde Haar meines Dads und an mein eigenes. »Na, dann ans Werk, van Gogh.«
Sie fragt mich, wo das Haarfärbemittel ist, und als ich es ihr sage, holt sie es aus meiner Tasche.
Dakota und ich haben angefangen, außerhalb der Arbeit miteinander abzuhängen. Nach der Samstagsschicht fahren wir raus zu irgendeinem schönen Fleckchen in der Wildnis. (Sie scheint alle diese Orte zu kennen.) Wie sich herausgestellt hat, zeichnet sie gerne; das Bild von Lady Godiva auf ihrer Jeans hat sie auch selbst gezeichnet. Also bringt sie ihren Zeichenkram mit und ich meine Kamera. Sie sitzt rum und zeichnet. Ich streife umher und knipse. Auch wenn sie mich schon nach Hause gefahren hat und ein oder zwei Mal mit in die Wohnung gekommen ist, war ich bisher noch nie bei ihr zu Hause. Es ist ein ausladendes einstöckiges Haus ohne dekorative Fenster- und Türrahmen, das fast spanisch anmutet.
Sie bringt die Flasche mit dem Haarfärbemittel und ein Foto, das in meinem Rucksack war.
»Das gefällt mir«, sagt sie. »Bevor du es in Photoshop bearbeitet hast, hat es mir sogar noch besser gefallen.«
Ich seufze. Da waren wir vom ersten Tag an unterschiedlicher Meinung. Sie sagt, Naturfotografie sollte nicht bearbeitet werden, weil das unsere Welt falsch wiedergibt. Ich behaupte, dass ich schon in dem Moment, wenn ich auswähle, was ich fotografieren will, Entscheidungen darüber treffe, was ich wiedergeben und was ich weglassen will. Jedes Foto, Naturaufnahme oder nicht, ist ein Kunstprodukt.
Es geht nichts über Photoshop. Ich hab mal einen Negativfilm-Entwicklungskurs mitgemacht. Ich hab es gehasst. Am Computer kann ich alles ändern, was ich vor mir habe, sozusagen nach der Tat. Das Fotografieren selbst ist nicht das, was am meisten Spaß macht; es ist das Bearbeiten. Ich setze Bilder zusammen, tilge Unvollkommenheiten, verändere Farben. Es ist ein bisschen wie Gott spielen.
»Aber ich nehme an, dir gefällt es bearbeitet besser. Kommt dem Kontrollfreak in dir entgegen.«
»Ich bin kein Kontrollfreak. Ich will nur, dass es genau richtig ist.«
»Ja, aber richtig nach deiner Auffassung. Kontrollfreak.«
Mir fällt nichts ein, womit ich noch kontern könnte, also lehne ich mich zurück, als wäre ich im Friseursalon, mein Nacken auf dem Metallrand und mein Kopf über dem Waschbecken. Sie richtet mich wieder auf, nimmt die Flasche mit dem Haarfärbemittel und beginnt, die Tülle über meine Kopfhaut zu ziehen – ein leichtes Kratzen, mit dem sie mein Aussehen verändert. Es riecht beißend, wie Salzsäure. Ich will sie nicht ablenken, also bin ich lieber still, aber als ich spüre, wie die Flasche sich schneller, sicherer bewegt, sage ich: »Hey, Douglas hat erzählt, diese alte Dame war noch mal da, die arrogante Schnalle mit den großen Ohrringen.«
Neulich war irgend so eine Frau mit einer tiefen, lauten Stimme und einem slawischen Akzent in den Laden gekommen und hatte ein Riesengezeter veranstaltet, als Dakota ein Buch nicht im Regal finden konnte, das im System war. Sie fing an auf Dakota einzureden, sie solle sich doch einen Freund suchen –
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