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Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
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in dieser Situation allein lassen? Warum schlägst du nicht ihre Tür ein, rufst die Polizei, sagst gegen ihn aus?«, würde sie fragen.
    Ich würde sagen: »Kennst du das Gerichtssystem? Kein Anwalt in Chicago würde einen Fall gegen einen Richter vorbringen, bei dem Aussage gegen Aussage steht. Und selbst wenn wir mal annehmen, es gäbe so einen heldenhaften Anwalt nicht nur im Film – kein Richter würde je einen anderen Richter verurteilen.«
    Sie wird versuchen, mir weiszumachen, dass auf das Justizsystem Verlass ist und ich den Gerichten vertrauen soll, aber ich hab zu oft gesehen, wie das System versagte, bin mit den Geschichten meines Dads über den mangelnden Schutz dieses Systems aufgewachsen, hab immer wieder gehört, wie das Gesetz verbogen werden kann, Beweise als unzulässig abgetan werden. Zu viele Möglichkeiten, damit zu scheitern. Zu viele Möglichkeiten für meinen Vater davonzukommen.
    »Und wenn er rauskommt, ist sie so gut wie tot«, werde ich sagen. »Eine Schutzanordnung ist auch nur ein Stück Papier.«
    Was auch immer sie sagen wird, ich werde kontern können.
    Ich gucke auf meine zitternden Hände. Ich rede mir zu, dass es dieses Mal am schwersten sein würde, dass es einfacher werden wird, die Wahrheit zu sagen, dass mein Gesicht nicht mehr glühen und meine Kehle nicht mehr eng werden wird, dass Lügen umständlich sind und die Wahrheit nur ein Wort braucht.
    »Nein.« Ich lache ein bisschen, um die Lüge zu überspielen. »Nein, natürlich nicht. Mein Dad ist kein Monster oder so.«
    Auf einmal begreife ich, wen ich beschütze. Sobald ich meinen Vater entlarve, wird Dakota nichts anderes an ihm gelten lassen. Und ich weiß, genau das gilt auch für mich – wenn ich jemandem von Lauren erzähle, werden alle nur noch meine Fäuste sehen.
    »Wirklich?«, sagt sie.
    Ich rede mich raus: Mein Vater habe hohe Ansprüche, er akzeptiere nichts, was nicht perfekt ist. Einmal habe er mich drei Wochen lang gepiesackt, weil ich beim Fußball eine Torchance verpasst hatte. Das hätte ich gemeint, als ich sagte, er habe mich angegriffen. Meine Mom habe zwar noch nicht die Scheidung eingereicht, aber sie werde ihn verlassen. Als Dakota aussieht, als würde sie mir glauben, sage ich: »Komm, lass mal dein Werk sehen.«
    »Noch nicht«, sagt sie. »Es muss noch eine Weile einwirken.«
    Sie stülpt eine Plastiktüte über meine Haare und ich nehme die durchgeschwitzte Frischhaltefolie ab. Ich ziehe mein Hemd wieder an und knöpfe es zu, bevor wir ins Wohnzimmer gehen, wo ihre Eltern und ihre Schwester, Missy, irgendeinen Samstagsfilm gucken. Wenn sie lachen, klingen sie alle gleich. Dakota in Dolby Surround. Ich lehne mich in den Kissen zurück und Missy landet irgendwann mit ihrem Kopf auf meinem Schoß. Als Dakota das bemerkt, entschuldigt sie sich nicht für diese plötzliche Vertrautheit und ich will auch nicht, dass sie das tut.
    Es ist laut hier, ja, aber darunter liegt eine Stille, ein Versprechen, dass morgen alles noch so sein wird wie heute.
    Nach einer halben Stunde oder so sagt Dakota, dass wir mein Haar ausspülen müssen, und als wir damit fertig sind, führt sie mich ins Badezimmer, damit ich meinen neuen Look im Spiegel begutachten kann. Sie hat ihre Sache gut gemacht. Mein Haar ist schwarz und kontrastiert mit meinen blauen Augen. Kein Zweifel: Ich ähnele Christian mehr als je zuvor, aber um ehrlich zu sein, immer noch nicht sehr.
    Dakota sieht nach unten und pult an ihren Nagelhäutchen rum.
    »Was meinst du?«, frage ich. »Gefällt es dir?«
    »Nein.«
    »Es gefällt dir nicht?«
    »Nein.«
    »Ja, schone mich nur nicht.«
    »Ich glaub an unverfälschte Ehrlichkeit«, sagt sie.
    »Machst du dir damit viele Freunde?«
    Sie lacht und dann sagt sie, auf jeden Fall. Und ich denke an die Lüge, die ich ihr gerade erzählt habe.

Kapitel 18
    »Gin«, sagt Christian und legt seine Karten auf den Tisch.
    Er ist ein verdammtes Gin-Rommé-Genie. Ich hab versucht ihn zu überreden, Schach zu spielen, nachdem Tom und ich inzwischen ein paar Partien gespielt haben. Ich hab sogar ein Fünf-Dollar-Schachbrett gekauft, das Tom auf einem Flohmarkt entdeckt hat. Aber Christian ist im Moment nicht dazu aufgelegt. Er ist offenbar dazu aufgelegt zu gewinnen. Ich habe einen ganzen Fächer von Karten in der Hand, weil ich meine Karten immer horte. Ich hasse es, einen möglichen Dreiersatz oder eine Sequenz aufzugeben.
    »Wie wäre es mit einem Truthahn-Sandwich?«, frage ich.
    »Klar, okay«, sagt er. »Wie

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