Kein zurueck mehr
alles verrät, aber ich bin schneller.
»Dad?«, sage ich.
Christians Augen weiten sich vor Schreck. Ich decke den Lautsprecher mit der Hand ab und flüstere: »Wir klingen ähnlich.«
»Jace?« Seine hohe Stimme dringt aus dem Hörer. »Hab ich mir doch gedacht, dass du das bist. Du verfluchter Lügner. Was zum Teufel soll das: ›Hier wohnt kein Witherspoon?‹«
»Ich hab Panik bekommen. Tut mir leid.«
»Du hast Panik bekommen. Warum solltest du Panik bekommen? Ich bin’s doch nur.«
Na, warum wohl .
»Ist eine lange Geschichte«, sage ich und versuche mein Gehirn dazu zu bringen, schneller zu arbeiten.
»Rede endlich. Und diesmal möchte ich die Wahrheit hören. Keine Lügen mehr aus deinem kleinen Mund, ist das klar?« Er hat diesen »Sonst werde ich«-Ton in seiner Stimme, aber sonst wird er was? Wird aus dreizehnhundert Meilen Entfernung die Hand gegen mich erheben?
»Ich hab gedacht … Da gibt es einen Haftbefehl gegen mich«, sage ich und beobachte, wie Christian die Augenbrauen zusammenzieht und den Kopf schüttelt.
»Ich fange an zu packen«, flüstert Christian.
Ich mache eine abwehrende Handbewegung, wende ihm den Rücken zu und bete, dass er unseren Vater nicht so gut hören kann wie ich. Ich hab keine Ahnung, wie ich Christian jetzt den Haftbefehl erklären soll. Christian geht nur ein paar Schritte zurück.
»Oh ja«, sagt mein Vater. Er hat jetzt diesen Oh-ja-und-ich-wollte-dich-gerade-deshalb-zusammenscheißen-Ton drauf. »Ein Sheriff hat mich darauf aufmerksam gemacht, Gott sei Dank nicht im Gerichtssaal. Es war beschämend, Jace. Beschämend.«
»Tut mir leid, Dad. Ich hab in dem Moment nicht an deinen Ruf gedacht. Du weißt doch, wie das ist.« Warum nicht aufs Ganze gehen?
»Du kannst so was nicht einfach machen, Jace. Sie ist nicht deine Frau.«
»Ach, mit Trauschein ist es wohl okay?«
»Nimm den Mund nicht so voll. Bedanke dich lieber bei mir.«
»Wofür?«
Ich will schon sagen für all deine wertvollen Lektionen? Aber Christian macht einen Schritt auf mich zu und ich erinnere mich, was für ein Spiel ich hier spiele. Ich wedele wieder mit der Hand, gehe in die Ecke zwischen Schreibtisch und Couch und stecke einen Finger in mein Ohr.
»Dafür, dass ich dich von diesem Haftbefehl befreit habe«, sagt er in einem überheblichen Ton.
»Was? Wie hast du das gemacht?«
»Ich hab mit Lauren geredet.«
Ich weiß nicht, was schlimmer ist: der kalte Blitz, der mir gerade in den Rücken geschossen ist, oder dass mir so schlecht ist, dass ich mich umdrehe, Christian aus dem Weg schiebe und ins Badezimmer gehe, um in die Toilette kotzen zu können.
»Was hast du zu ihr gesagt?« Ich versuche, meine Stimme zu beherrschen, aber sie zittert.
»Ich hab sie daran erinnert, wie schwerwiegend eine Anzeige wegen Körperverletzung ist. Ich hab sie daran erinnert, dass dich das für immer beeinträchtigen könnte, dir den Weg aufs College, deine Zukunft verbauen könnte. Ich war mal Anwalt, schon vergessen? Ich weiß, wie man jemanden überzeugt«, sagt er.
Oh Gott. Oh mein Gott.
»Wir haben über Liebe und zweite Chancen gesprochen.«
Ich halte den Hörer von mir weg und starre an die Decke. Galle läuft brennend meine Speiseröhre hinunter. Christian steht unschlüssig in der Tür und ich höre meinen Vater sagen: »Hallo? Jace?«
Es ist okay , sage ich lautlos zu Christian und dann mit voller Stimme ins Telefon: »Ich bin hier, Dad. Warum hast du das getan?«
»Für dich.«
Wer’s glaubt, wird selig.
»Wahrscheinlich hätte ich es nicht tun sollen«, sagt er, »aber es ist einfacher, eine Anklage aus der Welt zu schaffen, als sie vor Gericht zu beantworten.«
Ach so. Sein Ruf. Der muss natürlich bewahrt werden.
»Wenn du ein Danke von mir hören willst, musst du schon herkommen und es aus mir herausprügeln«, sage ich.
»Jace!«, zischt Christian.
Mein Dad lässt eine laute Schimpftirade los und alles, was ich verstehen kann, ist »undankbares Stück Scheiße«.
Ich stelle mir vor, wie Lauren die Tür aufmacht und diese ältere Ausgabe von mir in einer schwarzen Robe vor sich sieht. Sie bittet ihn herein und sie sitzen an ihrem Küchentisch und er erinnert sie an all ihre Fehler.
Christian berührt mich am Arm. »Schluss jetzt. Leg auf.«
»Hörst du mir überhaupt zu?«, höre ich meinen Dad brüllen.
»Natürlich. Tut mir leid. Du hast recht.« Ich schlucke und versuche, mir das eine Wort abzuringen, das er von mir hören will, aber mehr als ein umständliches »Du
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