Kein zurueck mehr
beobachte, wie ein Schweißtropfen von meiner Stirn ins Klowasser tropft und ein paar Kreise zieht. Der Fliesenboden unter meinen Knien fühlt sich so kühl an, dass ich mich, als die Übelkeit nachlässt, hinlege und mein Gesicht daraufpresse. Ich versuche, in den sechseckigen schwarzen und weißen Fliesen ein Muster zu erkennen.
»Jace«, ruft Christian. »Bist du okay?«
Nein, ich bin der totale Versager . »Ja«, sage ich. »Ich komm gleich.«
»Ist alles wieder im Lot«, sagt er. »Wir haben eine neue Nummer. Sie ist nicht eingetragen und keine Adresse ist im Internet oder über die Auskunft damit verknüpft.«
»Wie hast du das denn so schnell geschafft?«
»Ich hab ihnen die Wahrheit erzählt.«
»Du hast was?«
»Tja, manchmal soll das auch bei mir vorkommen«, sagt er.
Ich lache und spüre den harten Fliesenboden unter der Wange. Ich will hier einfach noch einen Moment liegen bleiben, aber ich weiß, dass er sich schon Sorgen macht, also stehe ich auf und spüle zur Sicherheit noch einmal nach.
Als ich rauskomme, wartet er auf mich.
»Du warst ganz schön schlagfertig. Was war das mit diesem Haftbefehl?«
»Ähm … ich … ach, nichts … nur ein paar Verkehrsdelikte, Geschwindigkeitsüberschreitung oder so«, sage ich wenig überzeugend und wende dann seine Lügen-Ablenkungs-Strategie an. »Tut mir leid, dass ich dir nicht von dem Anruf erzählt habe. Ich hätte es gleich beichten sollen.«
Sein Gesicht verfinstert sich wieder. »Mach das nicht noch mal. Ich hab ein Recht, so was zu erfahren.«
Für eine halbe Sekunde ziehe ich in Erwägung, ihm von Lauren zu erzählen. Aber keine Chance, dass er das hinnehmen würde.
»Okay«, sage ich.
Er fährt sich noch einmal mit der Hand durch die Haare und sein verkrampfter Kiefer und seine zusammengekniffenen Augen sind wie weggewischt.
»Wie machst du das?«, frage ich.
»Wie mache ich was?«
»Dieser, dieser – Beherrschungstrick?«
»Du glaubst, ich bin beherrscht?«
»Ich kann das nicht. Wenn ich wütend werde, explodiere ich.«
»Ich weiß auch nicht, Jace. Wahrscheinlich hast du mir all die Jahre genug Gelegenheit zur Übung gegeben. Ein Vorteil, wenn man der große Bruder ist.« Er grinst.
Wie kann er jetzt grinsen? Ich versuche das Lächeln zu erwidern und spüre meine Muskeln krampfhaft zucken.
»Bist du in Ordnung?«, fragt er.
»Jaja.«
»Jaja? Okay, dann geh ich jetzt ’ne Runde laufen.«
Ich sage okay, aber ich wollte eine richtige Antwort. Wie macht er das mit der Beherrschung?
Als er gegangen ist, gehe ich ins Badezimmer zurück, ziehe mein Hemd aus und lege mich hin, meine Wirbelsäule auf den kalten Boden gepresst, um den letzten Rest Übelkeit zu verdrängen. Ich denke an meinen Dad, wie er an Laurens Küchentisch sitzt und sich für mich rechtfertigt, entschuldigt und sie auffordert, mir zu verzeihen.
Wir haben über Liebe und zweite Chancen gesprochen.
Zweite Chancen. Wer hat so etwas schon verdient?
Kapitel 19
Was ist das nur mit New Mexico und den Abgründen? Ich stehe schon wieder auf einem Berg und schaue den Abgrund hinunter. Gott sei Dank hab ich nicht wirklich Höhenangst. Nur einen gesunden Respekt. Ich mache einen Schritt von der Kante weg. Neben mir beobachtet Dakota den Wasserfall, der unter uns in die Tiefe stürzt und einen schwefelartigen Geruch aufwirbelt, den ich nicht einordnen kann.
Dakota bietet mir den letzten Bissen des indianischen Brotes an, das wir die ganze Zeit gemampft haben, aber ich überlasse ihn ihr.
Ein paar Meter von uns auf dem Felsvorsprung stehen zwei Jungen und streiten und schubsen sich.
Ich höre das unmissverständliche »Schisshase, Schisshase!«.
»Wenn ich es tu, musst du es auch tun«, sagt der pummelige Junge.
»Bei drei?«
Sie treten an die Felskante, zählen bis drei und – springen. Ich schnappe mir meine Kamera und drücke ab, als ihre Körper den Abgrund hinunterstürzen und in das Wasser unten eintauchen. Ich halte den Atem an, bis sie beide wieder hochkommen.
»Der totale Wahnsinn«, sage ich.
»Willst du auch mal?«
»Bist du verrückt geworden?« Ich schaue auf das reißende Wasser. »Warum nennt sich das hier eigentlich Staudamm?«
»Jetzt lenk nicht ab.«
»Soda Dam? Ich meine, man würde doch nicht denken –«
»Ich mach’s«, sagt sie, lässt ihre Malsachen auf dem Fels zurück und beginnt, die Felsenbrücke über dem Wasserfall hochzuklettern.
»Und meine Kamera?«, frage ich.
Sie sieht sich um. Niemand außer uns und den Jungs.
»Lass
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