Kein zurueck mehr
bedeutet mir, weiterzureden.
»Er wird dich umbringen. Siehst du nicht, dass es immer schlimmer wird? Ihr plant eine Party und er schlägt dir ins Gesicht? Du musst mit uns kommen«, sage ich.
Sie verschränkt die Hände ineinander. Ihr Daumen reibt die Narbe auf ihrer Handfläche. »Und was passiert, wenn ich versuche ihn zu verlassen, Jace? Er hat Christian in New York gefunden; er kann auch mich finden. Und wenn ich bei euch bin, dann wird er auch euch finden. Ich bin hier sicherer.«
»Wir werden dich beschützen«, sage ich.
Sie schüttelt den Kopf und ich sehe es in ihrem Gesicht: Sie glaubt nicht, dass wir das können. Warum sollte sie auch? Wir haben ihn nie davon abgehalten, sie zu schlagen. Wir haben sie nie wirklich beschützt. Alles, was wir getan haben, ist, es hin und wieder hinauszuzögern.
»Jace, es tut mir leid, so leid, aber ich kann ihn nicht verlassen. Ich kann mir mein Leben nicht ohne ihn denken; ich kann es mir nicht einmal mehr vorstellen.«
»Mom, bitte.«
Ich packe ihr Handgelenk und beginne zu ziehen, aber Christian legt sanft seine Hand auf meine. Ich drehe mich um und sehe ihn an. Er schüttelt den Kopf und ich lasse los.
»Jace, das wird nichts. Wenn wir sie aus dem Haus zerren, wird sie nur wieder zurückkommen. Sie muss selbst den Schritt nach draußen machen oder wir bringen sie in noch größere Gefahr, wenn sie zurückkommt«, sagt Christian.
»Euer Dad kommt gleich nach Hause. Das Gericht schließt heute früher«, sagt sie.
»Jace«, sagt Christian mit panisch schriller Stimme. »Kein Risiko.«
Er legt seine Hand auf meinen Arm und ich schüttele ihn ab, die Augen immer noch auf meine Mom geheftet.
»Scheiß drauf. Geh zurück zu deiner Costacos-Familie, okay? Ich weiß, das läuft jetzt nicht nach deinem Plan.«
Er rührt sich nicht vom Fleck. »Du und ich … wir gehen zusammen aus dieser Tür. Ich werde dich nicht noch einmal hier zurücklassen.«
»Christian, bitte geh«, sage ich. »Wenn er dich sieht … ich kann das nicht noch mal mit ansehen.«
»Das musst du auch nicht«, sagt er.
Neben mir höre ich einen lang gezogenen metallischen Laut, wie eine Schaufel, die in die Erde sticht. Ich drehe mich um und Christian hat ein Messer in der Hand. Die Ellbogen kleben nicht mehr an seinen Seiten. Sein Mund ist nicht zu einem Strich zusammengekniffen. Er ist entspannt, bereit.
Meine Mutter atmet scharf ein.
Ich schließe die Augen.
Christian in einem orangefarbenen Overall. Er steht vor Gericht, fleht um Gnade, aber weigert sich, Reue zu zeigen. Christian, wegen meiner Sturheit als Mörder verurteilt, in einem Staat mit Todesstrafe .
Ich lege meine Hand über seine auf dem Messergriff und schiebe sie zur Anrichte. Er lässt das Messer los und sieht mich an.
»Lass uns gehen«, sage ich. »Wir haben alles getan, was wir konnten.«
Ich gucke zu meiner Mom mit ihren Zöpfen und dem flehenden Ausdruck im Gesicht. Ich kann mich nicht dazu bringen, Auf Wiedersehen zu sagen, denn ich weiß, es ist das letzte Mal, dass ich sie sehen werde.
Wir gehen durch das Haus und Christian muss mich am Ellbogen führen, weil ich nicht mehr klar sehen kann. Als wir nach draußen kommen, schluchze ich lauthals. Christian nimmt mir den Autoschlüssel ab und führt mich zur Beifahrerseite.
»Es tut mir leid, Jace«, sagt er, »aber wir müssen gehen.«
Ich gucke zurück zum Haus, als wir aus der Einfahrt fahren.
Die ganze Fahrt durch Illinois bin ich völlig fertig. Christian lässt seine Hand auf meiner Schulter, wenn er nicht gerade den Gang wechselt oder nach Taschentüchern kramt. Als wir die Grenze zu Missouri passieren, sind meine Tränen versiegt. Alles, was noch übrig bleibt, ist dieses Gehickse nach einem Heulkrampf, und das ist mir zuletzt im Alter von neun Jahren passiert. Ich lehne meinen Kopf zurück, die Augen geschlossen, aber ich spüre, wie Christian alle paar Minuten einen Blick zu mir rüberwirft.
»Mir geht’s schon besser«, sage ich.
»Sicher?«
»Na ja, es wird gleich besser. Sicher.« Ich öffne meine Augen und sehe ihn an. »Was ist mit dir?«
Seine Ellbogen sind wieder angespannt, die Hände umklammern das Steuerrad; er sieht schlimmer aus als auf der Hinfahrt. »Ich bin … ähm … ich weiß auch nicht.«
»Was ist los?«, frage ich.
Christian fährt rechts ran. Ich warte, aber er rührt sich nicht. Langsam dreht er sich zu mir. Er streckt den Arm aus, als wolle er mir die Hand schütteln.
»Ich bin Christian Marshall«, sagt er. »Als ich
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