Kein Zurueck nach Oxford
Schrei.«
Kate musste an Harley denken. »Wahrscheinlich haben Sie Recht.«
»Wahrscheinlich haben Sie sich von der bedrohlichen Atmosphäre in der Buchhandlung beeinflussen lassen. Schließlich ist es eine allgemein bekannte Tatsache, dass wir unsere Erinnerungen an die Vergangenheit so modifizieren, dass sie mit den Ereignissen der Gegenwart übereinstimmen.«
»Ehrlich gesagt ist mir das neu. Außerdem haben Sie nicht dieses an das Glas gepresste Gesicht gesehen und gehört, wie die Fäuste der Kerls auf die Karosserie trommelten.«
»Es gibt immer noch eine andere Erklärung. Nehmen Sie einfach einmal an, die beiden wollten Ihre Windschutzscheibe säubern. Manche dieser Typen können ganz schön aggressiv werden, wissen Sie!«
»Und dann hat Devlin von mir verlangt, dass ich so schnell wie möglich verschwinde. Ich habe einen derartigen Kavalierstart hingelegt, dass meine halben Reifen jetzt in Swindon auf der Straße kleben. Als ein Auto hinter uns herfuhr, musste ich sofort die Richtung wechseln und mich auf den unmöglichsten Nebenstraßen in die Cotswolds durchschlängeln.«
»Wahrscheinlich ist er lediglich ein miserabler Kartenleser.«
»Das ist er obendrein. Aber da war noch mehr.«
»Vielleicht war es eine Art Forschung für sein nächstes Projekt.«
»Ich wüsste nicht, wie so etwas in eine schwülstige Geschichte passen sollte, die im achtzehnten Jahrhundert spielt.«
»Sie wissen doch, wie Autoren arbeiten. Manchmal tun sie die verrücktesten Dinge. Noch etwas Wein?«
»Danke.« Kate fühlte sich so entspannt, dass sie am liebsten gleich eingeschlafen wäre. Sie streifte die Schuhe ab und streckte sich auf dem Sofa aus.
»Vielleicht waren es ja Polizisten. Heutzutage kann man Polizisten oft nicht mehr von Kriminellen unterscheiden.«
»Da bin ich ganz anderer Meinung«, sagte Kate. Sie dachte an ihren Freund Paul Taylor, bei dem nie jemand auf die Idee gekommen wäre, er könne etwas anderes sein als ein aufrechter Bürger und Hüter des Gesetzes.
»Vielleicht nicht alle. Aber einige schon.« Auch Aisling hatte die Schuhe ausgezogen und die Füße auf die Armlehne ihrer Couch gelegt. »Oder es waren zwei einfache Polizisten, die ein Knöllchen eintreiben wollten.«
Nachdem Kate ihr drittes Glas Wein geleert hatte und sich ein viertes einschenkte, war sie fast geneigt zu glauben, was Aisling sagte.
»Oder es war ein eifersüchtiger Ehemann, der mit Devlin ein Hühnchen zu rupfen hatte.«
»Zu Devlins Charakter würde das passen.«
»Zwei eifersüchtige Ehemänner«, fuhr Aisling fort. Sie war inzwischen so beschwipst, dass sie einfach darauflosplapperte. »Oder ein Ehemann mit Freund. Oder …«
»Oder jemand, der sich für Devlins Frau stark macht.«
»Auch eine Möglichkeit! Jackos treue, starke Brüder, die sich an dem Mann rächen wollen, der ihrer Schwester Unrecht tut.«
»Ich habe seine Frau kennen gelernt«, sagte Kate.
»Jacko«, sagte Aisling. »Eigentlich heißt sie Jacqueline, aber Devlin nennt sie Jacko.«
»Richtig, Jacko. Sie war mittelgroß, rothaarig und ziemlich dünn und ähnelte diesen beiden Gorillas nicht mal ansatzweise.«
»Ich sehe meinen Brüdern auch nicht ähnlich. Das beweist noch lange nichts.«
»Sehen Ihre Brüder denn wie Gorillas aus?«
»Nein, eher wie Buchhalter. Kleine, mickrige Kerle mit Hühnerbrüstchen. Es ist eine Schande!«
»Tut mir leid.« Wurde Aisling jetzt etwa rührselig?
»Sie können doch nichts dafür.« Aisling tupfte sich die Augen mit einem Taschentuch ab. »Nehmen Sie sich noch ein Glas Wein.«
»Gern. Wenn es tatsächlich mit Frauengeschichten zu tun hat, dann können wir nur hoffen, dass sie nicht herausfinden, wo er sich aufhält. Sie könnten sonst versuchen herauszufinden, ob er die Nacht allein verbringt oder nicht.«
»Stimmt«, bestätigte Aisling. »Und bei dieser Gelegenheit könnten sie das Haus in Schutt und Asche legen.«
»Vielleicht sollten wir zu Bett gehen und versuchen, noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen, ehe das geschieht.«
»Ich denke, wir sollten zunächst unseren Wein austrinken.«
»Gute Idee.«
Kapitel 10
Gegen drei Uhr morgens wurde Kate plötzlich wach und setzte sich kerzengerade im Bett auf.
Man sollte eben nicht so viel Wein trinken! Zwar schlief man danach meist schnell ein, aber nach wenigen Stunden schreckte man häufig auf. Trotzdem hatte Kate den Eindruck, dass sie nicht von selbst wach geworden war. Irgendetwas hatte sie geweckt. Draußen im Flur knarrte ein Dielenbrett.
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