Kein Zurueck nach Oxford
Missfallen der Eltern erregen könnte. Camilla und Kate waren miteinander befreundet, seit sie zwölf waren.
Kate klopfte ein zweites Mal.
Das Licht ging an, und die Tür wurde geöffnet.
»Hallo«, sagte Camilla, »ich dachte mir schon, dass du es bist. Tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen, aber ich habe gerade das Altpapier aussortiert. Was ist in der Agatha Street passiert? Den ganzen Tag war überall Polizei.«
»Darf ich hereinkommen?«, fragte Kate.
»Klar«, antwortete Camilla.
»Störe ich etwa? Carey ist nicht da, oder?«
»Nein, er ist nicht da. Und du störst mich höchstens beim Schreiben von hundertdreißig Zwischenzeugnissen. Nichts Dramatisches also.«
»Ich suche noch eine Unterkunft für die Nacht.«
»Du weißt doch, dass du jederzeit in meinem Gästezimmer schlafen kannst.«
»Dann hole ich schnell meine Tasche.«
Gute alte Camilla. Sie setzte die richtigen Prioritäten im Leben – wie zum Beispiel die, Kate ein Dach über dem Kopf zu bieten, wenn diese eines brauchte. Fragen stellte sie erst später. Kate hatte ganz in der Nähe des Häuschens geparkt und holte ihre Tasche aus dem Wagen.
»Carey ist in London«, sagte Camilla. »Ich habe dir angesehen, dass du fragen wolltest, dann aber doch zu höflich dazu warst. Nein, er hat mich noch immer nicht verlassen, sondern ist für ein paar Tage zu seiner Mutter gefahren. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass er sie anpumpen will, aber das ist ihre Sache.«
Carey war Camillas »Mann für gewisse Stunden«. Nein, eigentlich durfte sie ihn nicht so bezeichnen. Immerhin waren Camilla und Carey seit fast vier Jahren mehr oder weniger fest liiert; heutzutage hielten sogar Ehen oft weniger lang. Kate musste sich der Frage stellen, wann sie selbst die letzte, so lang anhaltende, befriedigende Beziehung gehabt hatte. Carey war jung, sah blendend aus und lebte sorglos in den Tag hinein, was manchmal zu Missverständnissen mit der soliden, respektablen Camilla führte. Er war etwa zwölf Jahre jünger als sie, aber von der Lebenseinstellung her lag eine ganze Generation zwischen ihnen. Und es war dieser Unterschied, der die Beziehung der beiden oft merkwürdig erscheinen ließ – nicht etwa das Alter.
»So, und jetzt erzähl mal: Was haben die ganzen Polypen bei dir in der Agatha Street zu suchen?«, fragte Camilla.
»Das ist dir also aufgefallen?« Der junge Carey schien tatsächlich einen Einfluss auf Camillas Ausdrucksweise zu haben.
»Sie waren kaum zu übersehen. Die gute Mrs Clack hat sich den ganzen Tag in dem Trubel gesonnt. Und natürlich kursieren im Viertel die wildesten Geschichten. Was ist dran an ihnen?«
»Na ja, du weißt doch sicher, dass ich für ein paar Tage auf Lesereise war.«
»Nein, davon hast du mir nichts erzählt.«
»Sie ist auch erst letzte Woche organisiert worden.«
»Ziemlich kurzfristig, wie?«
Kate war es satt, den Leuten erzählen zu müssen, dass sie nur zweite Wahl gewesen war – auch Camilla bildete da keine Ausnahme. Also ignorierte sie die Bemerkung der Freundin und kam gleich zu den Fakten. »Harley kam heute Morgen ins Haus, um Dave zu füttern und zu einem Spaziergang abzuholen. Dabei fand er Andrew im Flur. Tot.«
»Grundgütiger! Was war es? Ein Herzinfarkt? Er hatte in letzter Zeit ein bisschen zugenommen. Armer alter Andrew!«
»Er war nicht besonders alt. Erst sechsundvierzig. Und es war auch kein Herzinfarkt. Jemand hat ihm den Schädel eingeschlagen – mit einem Schraubenschlüssel oder etwas Ähnlichem.«
»Wie schrecklich! Wer würde Andrew so etwas antun?«
»Das wüssten wir alle gern.«
»Und warum , um Himmels willen?«
»Auch diese Frage kann bisher niemand beantworten.«
»Ich kann es noch gar nicht fassen! Ausgerechnet der freundliche Andrew!« Camilla stand auf. »Soll ich uns einen schönen süßen Tee machen, oder steht dir der Sinn eher nach etwas Stärkerem?«
»Unbedingt nach Stärkerem!«
»Weißwein?«
»Gute Idee.«
Camilla verschwand in der Küche, kehrte mit zwei Gläsern und einer beschlagenen Weinflasche zurück und schenkte beiden ein großzügig bemessenes Quantum ein. »Ich weiß, dass es lächerlich klingt, aber als wir uns vor einigen Wochen bei dir getroffen haben, da wirkte er so lebendig .«
»Ich kann mich auch immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen. Seit er sich von Isabel getrennt hatte, war er häufig bei mir. Er kochte, oder er löste das Kreuzworträtsel in der Zeitung.«
»An dem Abend, als Carey und ich das letzte Mal bei dir
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