Keine Angst vor Anakondas
und vertonte. Vor allem aber dachte er darüber nach, wie man es anders, auf neue Art angehen könnte. Er trat Amateurfilm-Clubs bei und reichte seine Werke bei Amateurfilm-Festivals ein. Die Amateurfilm-Clubs waren bis dahin eher ein Sammelbecken für ältere Herren, die in ihrem Leben alles erreicht hatten und dann zur Kamera griffen, um ihre Urlaubsreisen einem Publikum zu zeigen. Doch Uwe Müller brachte frischen Wind in die Clubs. Ein ums andere Mal schnappte er den altgedienten Herren die Trophäen für den besten Film weg. Seine Regale füllten sich mit Siegerpokalen. Er war dann plötzlich nicht mehr ganz so gerne gesehen, weil er permanent gewann. Die Herrenriege legte ihm nahe, doch zum Fernsehen zu gehen. In dieser Phase durchlief er einen wichtigen Lernprozess: Wie wahr, die Zeit für größere Herausforderungen und höhere Weihen war längst gekommen.
In Namibia und Botsuana sammelte er Material über die Buschmänner der Kalahari. Er war fasziniert davon, mit welchen Extremen die Eingeborenen dort zu tun hatten, wie sie in der Hitze und der Wüste überlebten und mit wie wenig Wasser sie auskommen konnten. Es entstanden zwei Filme. Neben dem Film über die Buschmänner hatte er genug Filmmaterial, um einen zweiten Teil über die Kalahariwüste zu produzieren. Er reichte den Wüstenfilm bei der Biovision ein, einem großen Naturfilm-Festival. Der Film schlug ein wie eine Bombe und gewann – für seinen Schöpfer völlig unverhofft – den ersten Preis seiner Kategorie. Ein erster Live-Auftritt im WDR folgte. Ein paar Wochen später gewann Uwe Müller auf dem bedeutenden Naturfilm-Festival Naturale mit demselben Film erneut. Plötzlich wurde er überschwemmt mit Visitenkarten und hörte Sprüche wie: »Wenn du mal eine gute Idee hast, dann ruf doch einfach an.« Das alles ereignete sich an einem Sonntagnachmittag. Montagmorgens bereits hatte er eine gute Idee und rief an!
Uwe Müller nutzte die Gunst der Stunde und sprang ins kalte Wasser. Im Eilverfahren machte er sich mit der professionellen Filmtechnik vertraut. Sein Auto und alles, was er nicht brauchte, verkaufte er kurzerhand. Er besorgte sich eine Arri SR 2, eine Kamera für Profis, und ein 500-mm-Objektiv. Seinen ersten professionellen Film drehte er in Sardinien. Dort leben auf einem Hochplateau Wildpferde, die Acchettas genannt werden. Die Acchettas grasen unter Wasser, tauchen bis zu einer Minute richtig mit dem Kopf ab und ziehen dabei die Süßgräser aus dem Boden.
Die Pferde waren unglaublich scheu und schwer zu filmen. Müller drehte seinen Film ohne Vertrag und auf eigenes Risiko. Und wieder bewies er handwerkliches Geschick. 1996 wurde das Werk in der Tierserie Telezoo gezeigt. Jörn Röver, Redakteur beim NDR -Naturfilm, war komplett begeistert, Uwe Müllers Einstieg als professioneller Tierfilmer geschafft.
Zwei Jahre lang drehte er dann für den Telezoo . Und vier Jahre nach dem Streifen über die Pferde räumte er mit seinem Film Die Wilden vom Stadtpark bei der Naturale erneut ab, dieses Mal in der Königsklasse der Profis: Eindrucksvoll zeigt der Film im Leipziger Klara-Zetkin-Park das Leben aus der Sicht von Eichhörnchen. Da prügeln sich Eichhörnchenmütter unerbittlich um die besten Reviere. Mittels Hauen und Stechen wird die Konkurrenz aus Höhlen oder Koben vertrieben, ob nun Artgenosse oder nicht. Nur selten wird wahrgenommen, dass die Wildnis mit ihrem Kampf ums Überleben vor der eigenen Haustür beginnt.
Weitere Filme von ihm zeigen unter anderem afrikanische Riesenwaldschweine, Brandgänse, den Rückgang der Gletscher, ein Hundeabenteuer in einer argentinischen Kleinstadt ( Gordos Reise ans Ende der Welt ) und Pumas. Ob Eichhörnchen, Buschmann oder Hund, Uwe Müller veranschaulicht in seinen Filmen, welche ökologischen Nischen Tier und Mensch besetzen, um sich in ihrer Welt erfolgreich zu behaupten. Kein Wunder, dass er für die Biber, die in Feuerland ein leeres Paradies vorgefunden und mit ihrer Invasion begonnen hatten, Feuer und Flamme war. Unzählige Bäume hatten die Nager in ihrer neuen Heimat seither gefällt – nur diesen einen nicht …
Wettlauf gegen die Zeit
Nachts um halb vier erscheint endlich ein Biber im See, klettert aus dem Wasser, huscht zu dem Baum und beginnt an der Rinde zu knabbern. Gebannt schaltet Uwe Müller die Kamera ein, den Biber in Aktion durch den Sucher fokussierend. Doch plötzlich verharrt der Nager, schießt wie ein Blitz davon, springt in den See, taucht weg und ward nicht
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