Keine Angst vor Anakondas
Kalte Schauer laufen Fricke noch heute über den Rücken, wenn er daran denkt, dass der tonnenschwere Kran auch ihn und sein Tauchboot in die Tiefe hätte reißen können. Das Vorhaben stand von Anfang an unter enormem Erfolgszwang. Hans Fricke fühlte sich den Sponsoren gegenüber verantwortlich – die Bringschuld lastete schwer auf seinen Schultern. Er hatte aber nicht nur mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, sondern auch mit der wissenschaftlichen Konkurrenz. Fricke war schließlich nicht der Einzige, den die Quastenflosser in einen Rausch versetzt hatten. Bereits über zwei Dutzend Expeditionen von Forschern und Abenteurern anderer Nationen hatten versucht, das lebende Fossil in seinem Lebensraum zu entdecken. Es war ein Wettlauf mit der Zeit.
Am 24. August 1986 dann der Schock: Hans Fricke erhielt die Nachricht, dass Japaner einen Quastenflosser in seinem Lebensraum gefilmt hätten. So kurz vor seiner eigenen Expedition, in die er schon unendlich viel Zeit und Herzblut investiert hatte, muss ihn diese Nachricht wie ein Schlag in den Nacken getroffen haben. Selbst in den Abendnachrichten des ZDF wurden Filmausschnitte der japanischen Expedition gezeigt. Die Welt saugte diese Sensation in sich auf. Doch als Hans Fricke genauer hinsah, konnte er es nicht glauben. Da schwamm ein halbtoter Quastenflosser an einer Angelschnur gezogen durchs Bild. Fricke war empört, ja, er war außer sich! Diese Amateuraufnahmen waren jedem Experten längst bekannt und bereits vor Dekaden aufgenommen worden. Er konnte es nicht fassen, dass es den Japanern gelungen war, mit dieser Täuschung weltweiten Ruhm und schnelles Geld einzuheimsen. Später fand Hans Fricke heraus, dass der Amateurfilmer, ein französischer Tauchlehrer, das Filmmaterial für 150 000 DM an die Japaner verkauft hatte. Und die waren zu der angegebenen Zeit nicht einmal auf den Komoren gewesen!
Hinabschweben ins Bodenlose
Am 25. Dezember 1986 startete Fricke vor den Komoren seine erste Tauchfahrt ins Reich der Quastenflosser. Die Crew brachte die Erfahrung von 551 Tauchfahrten und insgesamt 60 Tagen unter Wasser mit. Die längste Tauchfahrt hatte 17 Stunden gedauert. Die Metoka , ein Schiff, das ihm von privater Seite für seine Expedition zur Verfügung gestellt worden war, transportierte sein Tauchboot. Der Kran ließ die GEO langsam ins Wasser gleiten. Ein Schlauchboot brachte Hans Fricke und seinen Steuermann zum Tauchboot. Der Wellengang machte es nicht leicht, in die oben geöffnete GEO einzusteigen. Dann wurde die Luke mit einem dumpfen Geräusch geschlossen. An dem Schaltpult drückte Frickes Steuermann Jürgen Schauer die Hebel und Knöpfe, die das Sinken einleiteten. Kaum waren sie unter Wasser, wurde es seltsam still. Sie waren jetzt in ihrem eigenen kleinen Mikrokosmos gefangen. Langsam glitten sie in die dunkle Tiefe. Unter ihnen tauchte eine zerklüftete, vulkanisch geprägte Unterwasserlandschaft auf. Langsam und vorsichtig glitten sie in schräg abfallende Canyons hinein. Hans Fricke saß in der Glaskuppel im Ausguck, immer bereit zu filmen. Doch die Quastenflosser ließen auf sich warten.
Systematisch durchkämmten sie das Gelände. Licht drang bei Sonnenschein bis in eine Tiefe von 200 Metern vor. Sobald sich aber Wolken vor die Sonne schoben, wurde es finster. Tauchgang reihte sich an Tauchgang. Allmählich bekamen Hans Fricke und seine Crew Routine in dem Tauchgebiet. Die Forscher maßen Salzgehalte und Temperaturen in verschiedenen Tiefen und beschrieben die Struktur des Bodens. Doch vom Urzeitfisch fand sich nicht die geringste Spur! Dabei waren Quastenflosser aus ebenjener Tiefe, in die sie immer wieder abtauchten, mit Schnur und Haken gefischt worden! Langsam machte sich Enttäuschung breit. Auch oberhalb der Wasserlinie gab es Probleme: Zyklone, plötzliche Wetterumschwünge und hohe See machten der Crew das Leben schwer. Das ständige Rollen und Schlingern der Metoka war eine Qual für die Mannschaft. Permanenter Schlafmangel war die Folge. Die Crew fühlte sich nicht sicher auf dem Schiff, dessen Schicksal schon wenige Jahre später besiegelt sein sollte. Einige Jahre später erreichte Hans Fricke die erschreckende Nachricht, dass die Metoka bei einem Sturm im Roten Meer gesunken war.
Nach einer Vielzahl erfolgloser Tauchgänge beschlossen Hans Fricke und seine Crew, den Standort zu wechseln. Sie schipperten mit der Metoka von der Hauptinsel der Komoren zur Insel Anjouan, vor deren Küste ebenfalls Quastenflosser gefangen
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