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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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worden waren. Auf Anjouan sah Fricke zum ersten Mal in seinem Leben drei echte Quastenflosser. Allerdings waren es präparierte Fische, deponiert im Keller eines nicht fertiggestellten Hauses. Möglicherweise war hier ein illegales Unternehmen tätig, das die präparierten Fische als Exponate an Museen oder private Sammler verkaufen wollte. Dennoch, als er sie berührte, war es für ihn ein fast heiliger Moment. Diesem Fisch so nah zu sein war wie ein Zeichen dafür, dass sein Lebenstraum endlich in Erfüllung gehen sollte. Jetzt fehlte nur noch ein echter Quastenflosser aus Fleisch und Blut, der vor seine Kameralinse schwamm …
    Bei den Tauchfahrten vor Anjouan hangelten sie sich von Fehlalarm zu Fehlalarm. Kam ein größerer Schatten in Sicht, gaben sie mit ihrem Tauchboot Vollgas – und fanden sich immer wieder Zackenbarschen oder Haien gegenüber. Von Quastenflossern keine Spur. Häufig waren auch Delfine zugegen. Über Mikros pfiffen die Aquanauten den Delfinen etwas vor, und die Meeressäuger antworteten mit lustigem Pfeifen. Zu gerne hätten sie gewusst, was ihnen die Delfine sagen wollten – die wussten ganz sicher, wo sie Latimeria finden konnten.
    Die Delfine konnten sie nicht fragen, aber die Insulaner. Die Tauchbootfahrer besuchten die Fischer Anjouans und interviewten sie über Köder, Tiefe und Tagesszeiten bei ihren Fängen der Quastenflosser. Die Fangtiefe variierte zwischen 100 und 300 Metern. Tiefer als 200 Meter konnte die GEO nicht tauchen. Hinzu kam, dass nicht mehr viel Zeit blieb; die Metoka würde bald die Komoren verlassen und zu einem anderen Einsatzort abberufen werden.
    Eine wichtige Erkenntnis aus den Befragungen war, dass Latimeria ein nachtaktiver Fisch ist. Bei ihren Profilfahrten bis 140 Meter Tiefe hatte Fricke eine größere Anzahl Fische festgestellt, die als Beutefische für Latimeria infrage kamen. Die Vermutung lag nahe, dass die Quastenflosser nachts aus der Tiefe emporsteigen, um sich hier satt zu fressen. Jetzt dämmerte es Hans Fricke und seiner Crew: Sie waren zur falschen Tageszeit unterwegs gewesen! Nur noch wenige Nächte blieben Hans Fricke, um den Urzeitfisch zu entdecken. Die Zeit verstrich, und seine letzten Hoffnungsschimmer verblichen nach und nach in den Tiefen des Meeres. Er sollte in den wenigen verbliebenen Nächten nicht mehr fündig werden. Deprimiert musste Hans Fricke die Komoren verlassen. Kein einziger Quastenflosser hatte sich gezeigt.
    Was mag in ihm vorgegangen sein, als er den Flieger nach Hause bestieg? Wie sollte er den Geldgebern, seinen Kollegen, Freunden und seiner Familie erklären, dass es ihm nicht gelungen war, das lebende Fossil zu sichten?
Das Wunder
    Auf der Rückreise rief Hans Fricke während einer Zwischenlandung in Paris zu Hause an. Und mit einem Mal war jede Enttäuschung weggewischt. Sein Sohn berichtete ihm am Telefon, dass die GEO auf Tauchfahrt Nummer 580 am 17. Januar 1987 um 21 Uhr in 198 Metern Tiefe auf einen Quastenflosser gestoßen war! Seinen Teamkollegen Jürgen Schauer und Olaf Reinicke war es gelungen, den Fisch zu filmen und zu fotografieren. Auch wenn Fricke nicht selbst an Bord des Tauchboots gewesen war: Der Bann war gebrochen. Hans Fricke hatte es geschafft. Er hatte seinen Geldgebern nicht zu viel versprochen. Viel wichtiger aber war, dass er sein Lebensziel verwirklicht, dass er die Maßstäbe für sein eigenes Leben nicht zu hoch angesetzt hatte. Jetzt spielte es keine Rolle mehr, ob ein gehöriges Quäntchen Glück im Spiel gewesen war. Er saß in einer Cafeteria im Flughafen, und Tränen der Erleichterung perlten über sein Gesicht. Eine tonnenschwere Last fiel ihm von den Schultern. Er merkte, unter welcher Anspannung er gestanden hatte. Jetzt machte sich eine große innere Ruhe in ihm breit. Ihm wurde dankbar bewusst, dass er es ohne seine Freunde und Kollegen nicht geschafft hätte, aber auch nicht ohne die finanzielle und technische Hilfe so vieler Beteiligter.
    Das Filmmaterial der GEO -Crew stellte alles in den Schatten, was bisher von lebenden Quastenflossern aufgenommen worden war. Als Hans Fricke endlich die Filmaufnahmen sah, war es eine Sternstunde im Leben des Zoologen: Die Quastenflosser erschienen ihm wie ins Wasser gefallene Landwirbeltiere, wie Molche oder Salamander im Meer. Ihre Augen leuchteten grell im Licht der Scheinwerfer, denn in den Augen tragen sie eine reflektierende Kristallschicht. Eigentümlich war auch ihre Bewegungsweise: Man hatte sich bisher vorgestellt, dass der

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