Keine Angst vor Anakondas
Artikeln über seine Lebendbeobachtungen und die Bewegungsabläufe der Fische beim Schwimmen und Manövrieren in den wichtigsten Wissenschaftszeitungen vertreten. Selbst mehrere Cover von Zeitschriften schmückte der Quastenflosser.
Man sollte meinen, Hans Fricke hätte seinen Traum verwirklicht und würde sich nun zufrieden zurücklehnen. Aber die ersten Aufnahmen der Tiere waren für ihn nur der Anfang gewesen. Zu viele Fragen waren offengeblieben. Was machen die Quastenflosser tagsüber? Was geschieht in Tiefen von mehr als 200 Metern? Wo ist die Kinderstube der Quastis? Rein gar nichts war über das Fortpflanzungsverhalten bekannt. Auf all seinen Tauchfahrten vor den Komoren hatten sie nicht ein einziges Jungtier gesehen. Für Fricke gab es nur eine Lösung, um Antworten zu bekommen. Ein neues Tauchboot musste her. Eines, das die Grenzen der GEO sprengte und alle Einschränkungen aufhob: Es sollte doppelt so tief tauchen können.
Sein Erfolg öffnete ihm Tür und Tor, sodass ein neues Tauchboot, die Jago , gebaut wurde. Es war für eine Tauchtiefe bis zu 400 Metern ausgelegt. Nachdem die Metoka im Roten Meer gesunken war, hievte jetzt die Sea Eagle das neue, ebenfalls gelbe Tauchboot über Bord. 1989 schwebte die Crew erneut vor den Komoren der Tiefe der zerklüfteten Unterwasserwelt entgegen. Zwischen erstarrten Lavablasen längst vergangener vulkanischer Aktivität und zerfurchten Canyons hofften sie Antworten auf ihre Fragen zu bekommen.
Die Fahrten in beiden Tauchbooten, der GEO und der Jago , waren alles andere als ein Vergnügen. In die kleine Kabine wurde zwar ausreichend Sauerstoff gepumpt. Aber die menschlichen Ausdünstungen blieben erhalten. Sie klebten in der Luft wie Autoabgase in unzureichend belüfteten Tunnels. In gekrümmter Embryohaltung saß Hans Fricke stundenlang in seiner Glasglocke. Seine Muskeln wurden steif, seine Gelenke schmerzten. Zwei Bandscheibenvorfälle handelte er sich dadurch ein, dass er immer und immer wieder eingepfercht in der kleinen Kapsel saß, die von einem einheimischen Fischer einmal als »Sarg« bezeichnet worden war. Zu den körperlichen Herausforderungen kam noch die mentale: Bei über 400 Metern Wassersäule über dem Kopf stellt sich schnell ein klaustrophobisches Gefühl ein, das in eine Panikattacke übergehen kann. Nicht ganz zu Unrecht, denn die enorme Wassersäule ist letztlich ein Risiko für Leib und Leben. Der kleinste Schaden am Boot, eine lose Schraube oder eine schlecht sitzende Dichtung können angesichts des hohen Wasserdrucks zur Katastrophe führen. Außerdem herrschen unter Wasser unvorhersehbare Strömungen, die das langsame Boot des Öfteren erfassten und weit vom Kurs abbrachten. Hans Fricke verglich seine Fahrten einmal mit den Bewegungen eines Stücks Papier, das im Wind flattert.
Der Erfolgsdruck und die große Leidenschaft für die seltenen Meeresbewohner ließen die Besatzung der GEO und Jago enorme Risiken und Torturen auf sich nehmen. Die Tauchfahrten dauerten oft viele Stunden, und nicht selten stellte sich in der stickigen Luft Müdigkeit ein, die so gefährlich war wie der Sekundenschlaf im Autoverkehr. Sie steuerten nicht mit einem Lenkrad, sondern vermittels kleiner Schalter, die sie ständig bewegten. Da kam es schon einmal vor, dass die Schwimmtanks der Jago eine Felswand streiften und ein hässliches schrammendes Geräusch das Innere erfüllte. Der Schreck war groß, die volle Konzentration in Sekundenbruchteilen wiederhergestellt. Oft setzten sie auch unversehens auf Grund auf. Doch was anfangs noch für seltsame Gefühle sorgte, schreckte die Crew der Tauchboote bald schon nicht mehr.
Grottiges Gedrängel
Die Mühen waren nicht umsonst. Immer wieder brachten die Tierfilmer neue Erkenntnisse über das geheimnisvolle Leben der Quastenflosser aus der Tiefe ans Tageslicht. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass die Quastis nachts nicht aus der Tiefe kommen, sondern sich tagsüber in Höhlen aufhalten. Perfekt austariert schweben sie dort dicht über dem Boden. Einmal drängelten sich sogar 18 ausgewachsene Tiere in einer Höhle, ohne sich zu berühren. Aggressionen untereinander haben Hans Fricke und sein Team bei den Quastenflossern nie beobachtet. Im Gegenteil schienen sie ihm »marine Pazifisten« zu sein, die extrem friedlich miteinander umgehen.
Auch die Färbung der Schuppen war Gegenstand der Forschungen: Die auffälligen weißen Flecken auf dem tiefblauen Grund wirken wie Schalen abgestorbener Austern, die an
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