Keine Angst vor Anakondas
wird knapp, sie muss jetzt zurück zu ihren Küken, bevor denen zu kalt wird.
»Ach, Flossie«, seufzt die Vogelschützerin Deidre Vercoe, als sie Flossie sieht, die sich wackelnden Schrittes auf die Küken zubewegt. »Du bist wieder einmal zehn Minuten zu spät! Was um Himmels willen hat dich nur dazu bewegt, dein Nest in einer Kiefernmonokultur anzulegen, wo weit und breit keine Rimubäume in der Nähe sind?« Ihr Ton ist nicht vorwurfsvoll, sondern mütterlich besorgt. Sie nimmt das Wärmedeckchen von den Küken, zieht sich in ihr Zelt zurück, beobachtet die Fütterung der Kleinen und macht Notizen. Es dauert nicht lange, und sie sieht Flossie im Dunkeln verschwinden, um mehr Nahrung herbeizuschaffen. Deidre Vercoe weiß, es wird wieder eine lange Nacht für sie werden.
Die Wanderung der Fjordland-Gene
Die 1982 nach Maud Island umgesiedelte Kakapo-Dame Flossie ist untrennbar mit dem »Kakapo Recovery Programme« verbunden. Zwischen 1974 und 2003 fand in der gesamten Zeit auf Maud Island nur ein erfolgreicher Schlupf statt. Flossie hatte sich von Richard Henrys Bass-Gewummere anziehen lassen, seine Pfade entdeckt und war zu ihm in die Liebesmulde gestiegen. Die Kakapo-Population wuchs um ihre Kinder Sinbad, Gulliver und Kuia an. Es war überhaupt die erste Nachzucht seit Beginn der Schutzbemühungen. Jungtiere waren mindestens ebenso ersehnt wie ein Stammhalter beim königlichen Hochadel, dem es darum geht, eine Dynastie weiterzuführen. Dieser Erfolg ist von überragender Bedeutung für die wenigen noch existierenden Vögel, da Richard Henry, der letzte Überlebende aus dem Fjordland, frische Gene in die Population der übrigen Kakapos aus Stewart Island eingebracht hat.
Nach dem Tiefststand der Population im Jahr 1995 begann der Aufwand langsam Früchte zu tragen. Im Jahr 2000 war der Bestand wieder auf 62 Kakapos angewachsen. 2002 schlüpften 24 Küken, die alle das Erwachsenenalter erreichten. Langsam stellte sich ein vorsichtiger Optimismus ein. Die Naturschützer waren überglücklich, als nach dem bisher besten Schlupfergebnis 2009 und 2011 der Bestand wieder auf 131 Papageien anwuchs. 2012 fanden keine Paarungen statt. Derzeit, Stand 21.03.2013, leben noch 126 dieser außergewöhnlichen Vögel auf unserer Erde. Die aktuellen Bestandszahlen können Sie übrigens unter www.kakaporecovery.org.nz abrufen. Noch sind die Kakapos weit davon entfernt, wieder eine stabile Population zu bilden, und werden auf den Schutz des Menschen angewiesen bleiben, um Räuber von ihren Inseln fernzuhalten.
Ganz Neuseeland horchte indes auf und beglückwünschte Flossie, als 1998 die freudige Nachricht verbreitet wurde, dass sich ihre drei Küken aus ihren Eischalen gepellt hatten und die stolze Mama sich um die Kleinen kümmerte. Ja, die Kakapo-Fangemeinde jubelte weltweit. Endlich hatte es geklappt.
Aber die Mitarbeiter vom Rettungsprogramm der Kakapos waren sehr besorgt. Hatte Flossie ihr Nest denn ausgerechnet an einem steilen Abhang und inmitten einer Kiefernplantage bauen müssen? Kakapos überraschen einen eben gerne, leider bringen sie ihre Beschützer damit fast immer um den Verstand – und sie sich selbst an den Rand ihrer Existenz. Tatsächlich ist der Standort in der Kiefernplantage gar nicht so verwunderlich, weil Kakapos früher in verschiedenen Vegetationstypen beheimatet waren und von daher recht anpassungsfähig sein müssen. Sie kamen in heißen, kalten, feuchten und trockenen Regionen vor und bis in Höhen von 1 400 Metern in Graslandschaften, Buschland und Wäldern mit Südbuchen- und Steineibenbestand.
Von 2001 bis 2003 wurden Flossie und alle verbliebenen Kakapos auf das besser geeignete Codfish Island umgesiedelt. Auf Maud Island brachten die Weibchen zu wenig Enthusiasmus für die Muldenbesitzer auf. Und wenn sie es doch einmal bis zu den Boomern schafften, waren die Eier später unbefruchtet oder die Küken verhungerten. Auf einer anderen Insel wiederum waren zu viele Gelege von Ratten zerstört worden. Auf Codfish Island liegen nun alle Hoffnungen der Naturschützer.
Es war eine gute Entscheidung, denn hier klappte es mit dem Nachwuchs besser. Flossie nistete auf Codfish Island bis heute noch weitere drei Male. Mit zwölf Nachkommen hat sie von allen Weibchen die größte Nachkommenschaft. Hier waren andere Männchen die Väter von Flossies Küken. Richard Henry starb im Dezember 2010 im Alter von rund 80 Jahren. Zuvor hatte er bereits seit zehn Jahren der anstrengenden Balz abgeschworen und
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