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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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war sehr kritisch. Da holten ihn die Kiwis aus dem Nest und zogen ihn stattdessen von Hand auf. Sinbad überlebte, und nachdem er etwas Gewicht angesetzt hatte, wurde er 700 Kilometer weiter nach Süden gebracht, um in Te Anau im Department of Conservation aufgezogen zu werden. Kakapos sind, wie gesagt, immer für Überraschungen gut, meistens jedoch für keine guten. Mitten im Flug bekam Sinbad schwere Atemnot. Es schien, dass er den Flug nicht überstehen würde. Erst als eine Stewardess eine Sauerstoffmaske umbaute und dem Vogel überstülpte, begann er sich wieder zu regen. Die taffe Stewardess rettete den wertvollen Passagier mit den seltenen Fjordlandgenen. In den nächsten drei Monaten mauserte sich Sinbad zu einem gesunden, schmucken Papagei. Den Flug zurück nach Maud Island überstand er ohne Probleme. Nach fünf weiteren Monaten entließen ihn die Kiwis in die Freiheit. Später wurde er, wie seine Mutter Flossie, nach Codfish Island umgesiedelt. Er hat jede Scheu vor Menschen verloren. Wenn Mitarbeiter in der Nähe sind, kommt er mit Freuden vorbei, um »Hallo« zu sagen. Offensichtlich hat er eine gute Kinderstube genossen. Er ist noch jung, doch es gibt berechtigte Hoffnung, dass er seine ererbten Fjordlandgene weitergeben wird. 2009 buddelte er seine erste Liebesmulde, legte ordentliche Pfade an und rief boomend nach Weibchen. Cindy erhörte ihn und folgte ihm zu seiner Mulde. Später stellte sich leider heraus, dass Cindys Eier nicht befruchtet waren. Aller Anfang ist eben schwer.

5
Herzschlag-Sekunden

04:02 Uhr
    Jörg hat seine Papageiengeschichte beendet. Schon länger drängt es mich, ihm ins Wort zu fallen, um mit einer eigenen Erfahrung aufzuwarten: »Es ist nicht immer gut, wegzulaufen, auch wenn die Kakapos durch ihr Verharren angesichts des Feindes fast ausgestorben wären. Mir dagegen hat es vermutlich das Leben gerettet, dass ich gelernt habe, nicht wegzulaufen«, bemerke ich.
    »Wieso? Vor wem bist du denn nicht weggelaufen?«, fragt Jörg.
    »Vor Hunden«, antworte ich ihm.
    »Hunde? Was für Hunde?«
    »Alle möglichen Hunde von irgendwelchen Leuten. Vor allem den aggressiven und kläffenden Hunden«, gebe ich zurück.
    »Und warum bist du nicht weggelaufen?«
    »Weil mir meine Eltern eingebläut haben, stehen zu bleiben, wenn ein Hund auf mich zuprescht. Es hieß immer: ›Der tut dir nichts.‹ Im Großen und Ganzen stimmte das auch. Als junger Hüpfer war es für mich aber gar nicht so einfach, stehen zu bleiben. Ich war gerade mal groß genug, um einem Pudel so eben auf den Kopf zu schauen. Jedes Mal schrie alles in mir danach, wegzurennen. Anfangs habe ich das oft genug probiert, aber die haben mich eh immer gekriegt, waren viel schneller. Also blieb ich später stehen.«
    »Und dann?«
    »Dann haben mir die Viecher meistens das Gesicht abgeschleckt und meine Klamotten mit ihren erdigen Pfoten verdreckt. Die haben sich einfach nur gefreut, dass ich da war. Manche haben mich auch zähnefletschend angebellt, als wären sie der Höllenhund persönlich. Immerhin, böse gebissen wurde ich von Hunden nie. Zum Glück.«
    »Aber jetzt mal raus mit der Sprache: Warum hat es dir einmal das Leben gerettet, dass du nicht in den Fluchtmodus verfallen bist?«
    »Das war 1994 in Bolivien …«, beginne ich meine Geschichte.
Im Bann des Jaguars – Panthera onca
    Geschmeidig schreitet die Raubkatze auf den Zweibeiner zu, langsam und lauernd. Sie ist jetzt verdammt nah. Der Zweibeiner, das bin ich! Vor gut 30 Sekunden habe ich sie in der Ferne entdeckt. Der Abstand zwischen uns verringert sich bedrohlich. Ich drücke mit zittrigen Händen auf den Auslöser der Kamera. Was auch immer jetzt geschieht, die Nachwelt würde wenigstens wissen, was passiert ist.
    Seit wir die letzte Siedlung hinter uns gelassen haben, sind wir in unserem Geländewagen zwei Tage lang auf einer staubigen Piste entlanggerattert. Die holperige Strecke führt ins Nirgendwo, nahe an die brasilianische Grenze heran. Sie verbindet keine Siedlungen miteinander, sondern dient dem Abtransport von Holz. Nur etwa ein Mal pro Woche stören große Sattelschlepper, mit mächtigen Stämmen beladen, die friedliche Ruhe. Manchmal benutzen Goldsucher diese Piste, um in nahe gelegenen Flüssen nach ihrem Glück zu schürfen. Wir sind Getriebene wie sie, nur suchen wir kein Edelmetall, sondern Wissen über die Tierwelt.
    Im Oktober, mit beginnender Regenzeit, ist hier der Wald noch licht. Denn um uns herum wächst kein immergrüner Regenwald,

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