Keine Angst vor Anakondas
Grünlinge
Hunderttausende dieser putzig anmutenden Vögel lebten einst in Neuseeland. Die Begegnungen mit den Menschen verliefen nicht gut für sie. Es folgte für die Kakapos ein Trauerspiel in mehreren Akten. Die Dezimierung der flugunfähigen Papageien begann bereits mit dem Eintreffen der Maori am Ende des 13. Jahrhunderts. Sie jagten den Vogel und schmückten sich mit seinen Federn. Er war eine leichte Beute. Noch um 1900 wurde von Siedlern berichtet, dass Kakapos nachts wie Äpfel aus den Bäumen geschüttelt werden konnten.
Die Siedler veränderten die Landschaft zuungunsten der Tierwelt. Heute sind große Flächen – Neuseeland war ursprünglich zu 80 Prozent bewaldet – dem Kahlschlag und landwirtschaftlicher Nutzung zum Opfer gefallen. Ein dramatischer Verlust – nicht nur für die Kakapos.
Zahlreiche Säugetierarten wurden in Neuseeland eingeschleppt und verwilderten. Hauskatzen, Hunde, Frettchen, Wiesel, Fuchskusus und Kiore-Ratten dezimierten die Bestände fortlaufend. Die Kakapos kannten diese neuen Tiere nicht und wussten sich ihnen gegenüber nicht anders zu verhalten, als bewegungslos zu erstarren und diese mit ihren unschuldig wirkenden Eulengesichtern fragend anzuschauen. Eine verheerende Strategie. Für die stark geruchsorientierten Säuger sind die Kakapos so leicht zu erschnüffeln wie eine lodernde Scheune bei Nacht, da sie einen intensiven süßlichen Geruch nach Blumen oder Honig verströmen. Nicht einmal ihre Nachtaktivität half ihnen, denn viele Räuber jagen im Dunkeln. Um die Katastrophe komplett zu machen, kann jedes räuberische Tier die Nester am Boden plündern, zumal die nur von den Weibchen versorgt und bewacht werden. Die Bestandszahlen gingen rasant zurück, nur in schwer erreichbaren Regionen blieben einige wenige Kakapos übrig.
Schon vor über 100 Jahren sorgten sich erste Kakapo-Liebhaber um die Bestände. 1891 wurde das Fjordland von der neuseeländischen Regierung zum Naturreservat erklärt. 1894 übernahm Richard Henry, der Namenspatron von Flossies Liebhaber, die Leitung des Reservates. Er erkannte bereits, dass nur kleine Inseln den flugunfähigen Papageien Schutz bieten konnten. 1900 hatte er 200 Kakapos nach Resolution Island verfrachtet. Ein paar Jahre später waren jedoch Marder auf die Insel gelangt. Das Drama nahm seinen Lauf: Kein Kakapo überlebte das Gemetzel. Zwischen 1949 und 1973 unternahm der New Zealand Wildlife Service 60 Expeditionen auf der Suche nach den letzten Kakapos. Sie fanden nur noch sechs Männchen im Fjordland, der südlichen Hauptinsel Neuseelands. Bis auf eines, jenen Richard Henry, den Flossie jetzt auf Maud Island boomen hört, starben sie nach wenigen Monaten in der Gefangenschaft. Fast nichts war damals über diese sonderbaren Papageien bekannt. Zwischenzeitlich wusste niemand, ob überhaupt noch Tiere dieser verschollenen Art leben. Das Schicksal des Eulenpapageis schien endgültig besiegelt zu sein. Resignation und Verzweiflung herrschte unter den Artenschützern und Vogelliebhabern.
Anfang der Siebzigerjahre fanden dann Suchtrupps noch einmal 18 einzelne Männchen auf der südlichen Hauptinsel. Die Sensation war perfekt, als 1977 mehr als 200 Kakapos auf Steward Island, der drittgrößten Insel Neuseelands, entdeckt wurden. Darunter waren endlich auch Weibchen. Bis Steward Island waren zwar noch keine Wiesel, Frettchen und Fuchskusus vorgedrungen, aber es stellte sich heraus, dass der Bestand innerhalb von nur fünf Jahren um die Hälfte zusammenschrumpfte. Verantwortlich waren verwilderte Hauskatzen. Deshalb entschieden sich die Vogelschützer 1987, in einer aufwendigen und kostspieligen Aktion alle Kakapos einzufangen, um sie auf kleine Inseln umzusiedeln. 1997 wurde auf Steward Island zum letzten Mal ein Kakapo gefunden und nach Maud Island gebracht, das geeigneter schien. Die Vogelschützer hofften, so den Restbestand vor räuberischen Säugetieren besser schützen zu können. Trotz der aufwendigen Bemühungen sank die Zahl der Kakapos zunächst aber bis 1995 auf den traurigen Tiefststand von nur noch 51 Exemplaren, darunter gerade mal noch 19 Weibchen.
Flossie wandert und wandert, findet aber keine Rimubäume in der Nähe ihres Nistplatzes. Sie weiß genau, dass jetzt die Zeit gekommen ist, in der die Rimubäume voll reifer Beeren sind, und dass ihre Kids nichts mehr schätzen als ebendiese ganz speziellen Leckereien. Nun wird sie vermutlich doch wieder die Nadeln der Kiefern abzupfen und verfüttern müssen. Die Zeit
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