Keine Angst vor Anakondas
nicht mehr geboomt. Richard Henry lockte übrigens in einem Dialekt, der sich von dem der Männchen von Stewart Island unterschied. Mit seinem Ableben dürfte dieser Dialekt für immer von der Erde verschwunden sein.
Sollten die Kiwis, wie die Neuseeländer sich schmunzelnd gerne selbst nennen, eines Tages ein Wappentier auf der neuseeländischen Flagge haben wollen, es wäre ganz sicher ein Kakapo. Die Kiwis sind verrückt nach ihnen. 500 000 Neuseelanddollar werden pro Jahr für sie ausgegeben. Alleine in der Brutsaison 2002 haben über 100 freiwillige Helfer die Nisthöhlen rund um die Uhr bewacht. Die Kiwis versorgen die Kakapo-Weibchen mit Nistboxen, wenn diese mal wieder einen Nistplatz gewählt haben, der bei Regen mit Wasser vollläuft oder die Eier an einem Steilhang hinabkullern könnten. Den Weibchen ist das recht.
Um sicherzustellen, dass die Kakapos zur Paarungszeit bei guter Gesundheit sind und über genügend Fettreserven verfügen, werden sie mit hochwertigen Pellets aus Futterautomaten versorgt. Ein Erfolg: Weibchen, die die Pellets annehmen, legen mehr Eier. Außerdem wird bereits seit 1989 versucht, mit zusätzlichem Futter die Balzbereitschaft der Weibchen zu erhöhen. Die intelligenten Futterautomaten sind so konstruiert, dass sie beim Besuch registrieren, welcher Kakapo wie viel futtert und wie schwer er ist.
Flossie wird wie jeder Kakapo ein Mal im Jahr eingefangen. Dann überprüfen die Kiwis ihren Gesundheitszustand. Etwaige Parasiten werden entfernt. Flossie lässt das gerne über sich ergehen. Nicht einmal im Beautysalon bekommen die Topmodels die Aufmerksamkeit, die ihr hier zuteilwird. Um die genetische Vielfalt zu bewahren, arbeiten die Kiwis auch mit künstlicher Befruchtung. Davon ist Flossie bisher jedoch verschont geblieben. Sollte ein Muttervogel ein Gelege nicht akkurat versorgen, überführen die Kiwis die Eier in einen Inkubator und ziehen die Jungtiere von Hand auf. Für ihre Kakapos sind sie zu allem bereit.
Früher wurden Hunde sogar dazu abgerichtet, um die Kakapos im freien Gelände zu finden. Kein Problem für die Spürnasen angesichts des blumigen Geruchs der Vögel. Heute trägt jeder Papagei einen Radiotransmitter, der auf seinem Rücken befestigt ist. Mittels dieses Minisenders werden sie geortet und ihre Aktivitäten rund um die Uhr überwacht. Zum Glück ist Datenschutz kein Thema für die Kakapos, deren Privatleben so intensiv observiert wird. Eine Kakapo-Dame namens Lisa brachte es jedoch fertig, ihren Radiotransmitter abzustreifen. 13 Jahre blieb sie verschollen. Dann wurde sie von Spürhunden auf einem Nest mit drei Eiern entdeckt. Jetzt, auf Codfish Island, ist sie immer die Erste, die Eier legt, von denen aber bis heute nur ein Junges das Erwachsenenalter erreicht hat.
Während der Brutsaison können die Mitarbeiter feststellen, welches Weibchen zu welchem Männchen watschelt, und einschreiten, um Inzucht zu vermeiden. Und es gibt da noch einen weiteren Grund zum Einschreiten namens Felix.
Felix ist im besten Kakapo-Alter und musste 1989 von Stewart Island nach Codfish Island umziehen. Die Mitarbeiter benannten ihn nach dem gleichnamigen Katzenfutter Felix, weil sie witzelten, dass er zwischenzeitlich genau das wäre, wenn sie ihn nicht gefunden hätten: Katzenfutter. Er ist ein Charmeur und Verführer par excellence. Im Sommer 1997 und 1999 paarte er sich mit acht Weibchen und zeugte sechs Nachkommen. 2002 paarte er sich mit fünf Weibchen. Felix ist zu erfolgreich. 28 Prozent der neuen Generation tragen seine Gene. Es ist ein Problem, wenn ein Einzeltier seine Gene zu stark streut. Die Projektmitarbeiter hindern ihn nun daran, weitere Nachkommen zu zeugen. Jetzt sind die anderen am Zug. Sein Erfolgsrezept ist unbekannt. Er ist gesund, aber nicht größer als die anderen Männchen. Vielleicht ist er ein begnadeter Sänger und schmeichelt den Ohren der Weibchen mit dem besten Boom-Sound. Selbst bei uns Menschen erweichen Sänger ja die Herzen der Damen und haben dadurch größere Chancen, sich zu reproduzieren. Oder überzeugt Felix etwa mit seinen gärtnerischen Fähigkeiten beim Anlegen der Pfade zu seiner Liebesmulde?
Atemnot über den Wolken
Als Flossie nach langer Wanderung und vollgestopft mit Kiefernadeln wieder einmal das Nest erreicht, fehlt Sinbad, der Kleinste ihrer Brut. Als letzter Schlüpfling und kleines Nesthäkchen hat er nicht die Futtermenge abbekommen, die er brauchte. Drei Wochen nach dem Schlupf hatte er kaum zugelegt, sein Zustand
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