Keine Angst vor Anakondas
ist nicht zu spaßen!«, stimme ich Jörg zu. »Ein Raubtier hätte das Manöver von Thoralf Grospitz und Jens Westphal aber schnell durchschaut. Die sind eben auf ihre Weise intelligent. Christian Grzimek, der Enkel des berühmten Bernhard Grzimek, hat mir mal eine haarsträubende Geschichte aus Ruanda von einem Dreh seines Großvaters mit Götz-Dieter Plage erzählt …«
Beschleunigte Masse – Loxodonta africana
So hatte sich das Götz-Dieter Plage ganz und gar nicht vorgestellt. Schön, das Trompetensolo des Bullen war laut und deutlich gewesen, und er hatte es im Kasten. Mit dem Trompetenstoß stellte der Elefant auch seine riesigen Ohren auf, um die Wirkung seines ohnehin imposanten Erscheinungsbildes noch weiter zu steigern. Die simple Botschaft: »Verzieh dich! Und zwar zackig!« Was auch immer die Motive des Elefanten waren, offensichtlich schien er der Meinung, dass in die Savanne ein paar große Bäume, viele Gnus und schwarz-weiß gestreifte Zebras gehören, aber ganz sicher keine auf ihn gerichtete Kamera und in Baumwolle gehüllte Primaten dahinter. Im Elefantenschädel verfestigte sich der Entschluss, auf dem eigenen Standpunkt zu beharren und keine Diskussionen zuzulassen. Das tonnenschwere Argument nahm Fahrt auf – in Richtung Kamera und den dahinter platzierten Götz-Dieter Plage. Der gewichtigen Ansicht des Dickhäuters setzte der Tierfilmer nichts entgegen, außer seiner Eclair, einer französischen Filmkamera, die fleißig vor sich hin surrte. Der Bulle besaß anscheinend eine konkrete Vorstellung davon, dass einige gezielte Fußtritte sowohl die Kamera als auch den Mann gewissermaßen auf den Level des Savannenbodens befördern würden. Ihm ging eben nichts über seine gewohnte Weltordnung, die wiederhergestellt werden musste.
Von Konzert, Erscheinung und offensichtlicher Absicht des Elefanten unbeeindruckt, schnurrt die Eclair weiter vor sich hin. Vom Zorn des Elefanten beeindruckt, ordnet Götz-Dieter Plages körpereigene Chemie die höchste Stufe der Alarmbereitschaft an. Sofortiger Rückzug steht auf dem Programm. Kein Wunder, 5 000 Kilogramm beschleunigte graue Masse stehen etwa 80 Kilogramm Zweibeiner und 40 Kilogramm Kameraausrüstung entgegen. Panik macht sich in dem Tierfilmer breit. Götz-Dieter Plage beschließt, schleunigst zu verschwinden und die Kamera samt Stativ sich selbst zu überlassen. Es muss schon um die schiere Existenz gehen, wenn teures Kamera-Equipment, das locker den Wert eines Mittelklassewagens übersteigen kann, zurückgelassen wird.
Vor Aufregung bedenkt der Kameramann an dieser Stelle aber eines nicht: Er ist durch den Batteriegurt, den er wie üblich um seine Hüften geschlungen hat, buchstäblich an seine Kamera gekettet. Er hängt fest, kommt nicht weg vom Stativ mit der schweren Kamera, dafür aber der Elefant immer näher. Ein geordneter Rückzug ist jetzt nicht mehr möglich. Er überwindet seinen Fluchtimpuls und zieht hastig die Steckverbindung zwischen Batteriekabel und Kamera. Bedrohlich füllt der Bulle sein Gesichtsfeld immer weiter aus. Er sieht in die Augen des Dickhäuters, die vor Zorn sprühen. Er sprintet los, so schnell ihn seine Beine tragen. Im letzten Augenblick gelingt es dem Kameramann zu entkommen.
Dies alles geschieht in Ruanda nahe einem kleinen Dorf. Götz-Dieter Plage filmt mit Bernhard Grzimek eine Elefantenherde, die es sich zur Gewohnheit gemacht hat, jeden Tag das kleine Dorf zu passieren. Die Bewohner des Dorfes haben sich schon lange an ihre riesigen Besucher gewöhnt. Die Elefanten gelten als gutmütig und umwandern sogar sorgsam die Wäsche, die zum Trocknen auf dem Boden ausgelegt ist. Götz-Dieter Plage hat seine Kamera am Ortsrand aufgebaut, um die vorbeiziehenden Elefanten zu filmen. Er freut sich auf die schöne kleine Geschichte mit den Elefanten. Das würde tolle Aufnahmen geben. Ein paar Jugendliche machen sich ab und zu einen Spaß daraus, die Elefanten zu ärgern. Sie sprinten auf sie zu, bis es den Elefanten zu bunt wird, sie wütend vorpreschen und die jungen Leute ein kurzes Stück verfolgen. Angespornt durch das Filmteam, wollen einige Jungen jetzt ihren Mut beweisen und ein bisschen Action produzieren. Wie immer beginnt ein Elefantenbulle die Flitzer zu verscheuchen, ausgerechnet in Götz-Dieter Plages Richtung.
Entsetzt erleben Bernhard Grzimek und das Filmteam diese Situation aus nächster Nähe mit. Schon steht der Elefant vor der Kamera und schnüffelt und rüsselt erregt daran herum. Bernhard Grzimek
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