Keine Angst vor Anakondas
fuchtelt, geschieht das Wunder. Mutig bringt der Kameramann die sich wälzende Speckschwarte vom Weg ab. Die Robbe bequemt sich dazu, etwa einen Meter an diesen lästigen Wedeldingern vorbei dem Meer zuzukraucheln. Die Mathematik der direkten Tangente hat versagt …
»Apropos Speckschwarte«, beginne ich eine weitere Annäherung zu schildern, »von denen gibt es in Afrika auch welche im Wasser. Allerdings sind die an Land schneller als Seeelefanten – und sogar schneller als unsereins!«
Der Macho aus Uganda – Hippopotamus amphibius
»Ich bin viel zu weit weg«, denkt Uwe Müller. »Ich versuche näher ranzukommen. Ganz langsam, immer nur ein Stückchen.« Zusammen mit dem Tierfilmer Ernst Sasse ist Uwe Müller nach Uganda gejettet, um Flusspferde zu drehen.
Gleich am ersten Tag ist er mit seiner Kamera allein im Gelände. In sicherer Entfernung von den Flusspferden schraubt er sie aufs Stativ. Ein Tarnzelt ist hier ungeeignet. In einem Prozess, der über Stunden andauert, geht er Meter um Meter vor, filmt etwas, nimmt Stativ und Kamera, rückt wieder vor, schaut durch die Kamera. Uwe Müller will die Flusspferde an sich gewöhnen, ausstrahlen, dass von ihm und der Kamera keine Gefahr ausgeht. Er bewegt sich auf einem schmalen Grat. Nur noch ungefähr 50 Meter Distanz trennen ihn von den im Wasser dümpelnden Flusspferden. Er geht noch einen Schritt vor. Dieser eine Schritt aber ist kein Schritt für die Menschheit, denn er ist einer zu viel.
Der Chef der Hippo-Herde hat den Tierfilmer schon lange aus dem Augenwinkel im Visier. Seine Miniohren wackeln. Summende Fliegen gehen ihm auf den Geist. Der Leitbulle ist gereizt. Schon zwei, drei Mal war der Macho kurz davor loszupoltern. Ihm schwirrt schon länger in einer Art Endlosschleife im Kopf: »Wenn der Kerl da noch einen Schritt näher kommt, dann flüstere ich dem was! Das sind meine Frauen, mein Revier, den puste ich gleich um! Bei der Gelegenheit kann ich den Damen und den Jungbullen gleich noch zeigen, was für ein toller Hecht ich bin.«
Mit einem Mal startet der Clan-Chef durch. Der Boden bebt unter den trampelnden Sprüngen, Wasser spritzt durch die Gegend. Vögel fliegen kreischend auf. Sie sehen nicht so aus, doch Flusspferde können bis auf 40 Stundenkilometer beschleunigen. Wegrennen zwecklos, da habe ich keine Chance, weiß Uwe Müller. Es sind nur noch wenige Meter bis zu dem Tierfilmer, der nach eigener Aussage später die Hosen gestrichen voll hat. Metaphorisch gemeint. Der Macho bremst ab, kommt nur einen Meter vor der Kamera zum Stehen. Er reißt sein riesiges Maul weit auf. Uwe Müller samt Kamera und Stativ fänden darin Platz wie in einer Baggerschaufel. Doch er bleibt einfach nur stehen, verhält sich ruhig. Er versucht unbedeutend zu wirken, ist wie paralysiert. Die 30 Zentimeter langen Hauer des Hippo sind eine tödliche Waffe und flößen ihm mächtig Respekt ein. Markerschütternd brüllt jetzt der Chef. Die Luft erzittert. Zu allem Überfluss öffnet er sein Maul sogar noch weiter.
Das war es. Gut gebrüllt, das haben alle gesehen. Er greift nicht an, sondern dreht sich um, trottet zufrieden zurück. Uwe Müller schlottern die Knie. Auf wackeligen Beinen nimmt er sein Filmequipment und zieht sich zurück. Im Nachhinein denkt er: »Hätte ich doch bloß auf den Auslöser gedrückt.« Aber so abgebrüht ist er nicht gewesen, als das Flusspferd angerannt kam.
Die Hippos haben nicht von sich aus ein aggressiveres Wesen als die anderen Pflanzenfresser. Die wollen niemanden über den Haufen rennen. Doch wie alle anderen auch verteidigen sie ihren Sicherheitsabstand und reagieren ungehalten auf mögliche Gefahren für die eigene Sippe. Und protzen gehört eben auch dazu. Die großen Säugetiere der Steppe respektieren sich gegenseitig und weiden gemeinsam die Gräser ab. Der Mensch jedoch gehört nicht zu den Weidetieren, mit denen in friedlicher Koexistenz gelebt wird. Instinktiv misstrauen sie den Zweibeinern. Es ist möglich, sich ihnen zu nähern, doch das geht nur über Vertrauensarbeit.
Flusspferde werden verkannt. Es passiert nur deswegen viel, weil die Fischer nachts mit ihren Booten rausfahren. Sie geraten in eine Hippo-Herde und werden umgeschubst. Schwimmen können die Fischer oft nicht. Büffel gelten in Afrika als zehn Mal gefährlicher. Uwe Müller erinnert sich, dass zu der Zeit, als er ein halbes Jahr in Afrika weilte, fünf Ranger von Büffeln getötet wurden, obwohl sie bewaffnet waren. Die wurden über den Haufen
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