Keine Angst vor Anakondas
vier Meter lang werden. Doch da ist noch mehr. Schon lange haben sie das Dröhnen eines Schiffes registriert. Dieses mechanische Bullern der Schrauben ist ihnen vertraut. Sie fürchten die Schiffe nicht. Gelegentlich folgen sie ihnen sogar über weite Strecken neugierig. Sie haben entdeckt, dass von den Schiffen Abfälle ins Meer geworfen werden, die sie sich gleich einverleiben. Die Schallwellen des verletzten Lebewesens und die des Schiffes, das nun nur noch tuckert und sich nicht mehr zügig fortbewegt, kommen aus derselben Richtung. Die Blauhaie ändern, aus einer anderen Richtung als der Weißspitzen-Hochseehai kommend, gemeinsam ihre Route. Synchronschwimmer hätten es nicht besser hingekriegt.
Die Hochseehaie sind die größten Haie der Ozeane, abgesehen von dem friedlichen Walhai. Ihr bekanntester Vertreter ist der Weiße Hai. Ihnen gemeinsam ist, dass sie zur ewigen Ruhelosigkeit verdammt sind. Es ist ihnen nicht vergönnt, sich für ein Nickerchen auf den Boden sinken zu lassen oder ein halbes Stündchen den Betrieb einzustellen. Ihr Leben lang müssen sie schwimmen: 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Nur so durchströmt genügend sauerstoffreiches Wasser ihre Kiemen. Geraten sie in Netze, sterben sie an Sauerstoffmangel. Ein Hochseehai im Treibnetz der Fischer ist ebenso verloren wie ein Delfin.
Cognac für Haie
Jacques-Yves Cousteau ging in den Siebzigerjahren mit Haien alles andere als zimperlich um. Er wollte im Roten Meer herausfinden, ob die Blauhaie dort standorttreu sind. Dazu ließ er zunächst 110 Blauhaie in der Umgebung von acht verschiedenen Riffs mit individuellen Plaketten versehen. Taucher fixierten diese mit einem Stab in der Haut der Haie. Einige Zeit später kehrten sie zurück und suchten nach den markierten Haien. Sobald sie einen Hai mit Plakette entdeckten, setzten sie ihm einen beköderten Haken vor die Nase. Insgesamt 65 Haie wurden auf diese Weise auf die Calypso gezogen, wo sie qualvoll verendeten. Es stellte sich heraus, dass fast alle dieser Haie an derselben Stelle gefangen wurden, an der sie markiert worden waren.
Heutzutage wären Naturfilme, für die derart viele Tiere getötet werden, vollkommen unmöglich. Wer so handelt, würde sich heftiger Kritik von Tierschützern ausgesetzt sehen und hätte womöglich mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Die Wissenschaftler von heute müssen aber nicht auf Experimente und Forschung verzichten. Mittels moderner Sender lassen sich die Wege der Tiere nahtlos verfolgen.
Bei anderen Experimenten mit Haien testete das Team um Cousteau verschiedene Abwehrmethoden und Narkotika und bannte die Ergebnisse auf Zelluloid. In einem Versuch waren vier Haie in einen großen Unterwasserkäfig gelockt worden. Mehrere Narkotika, die zum Betäuben von Fischen benutzt werden, schlugen jedoch bei den Haien nicht an. Vergeblich warteten die Unterwasserforscher auf die betäubende Wirkung. Einen Tag später dachte sich die Crew eine sehr französische Betäubungsmethode aus: Sie wollten den Haien im Käfig Cognac injizieren, den Jacques-Yves Cousteau zur Verfügung stellte. Als die Taucher mit den gefüllten Injektionsspritzen bei den Haien ankamen, waren diese jedoch gestorben. Möglicherweise war der Käfig zu klein gewesen, und die Haie hatten nicht genug Sauerstoff bekommen. Vielleicht waren die Haie aber auch an dem ihnen zuvor verabreichten Cocktail aus Narkotika eingegangen. Es gelang dem Team danach nicht mehr, weitere Haie anzulocken und zu fangen, um dieses sehr zweifelhafte Experiment durchzuführen. Vielleicht wären sie gekommen, hätten sie gewusst, dass ihnen Jacques-Yves Cousteau persönlich Cognac ausgegeben hätte.
Die Elie Monnier ist jetzt so nah an den Walen dran, dass die Mannschaft ihre kleinen Augen erkennen kann, wenn sie zum Atmen die Oberfläche durchstoßen. Es sind Grindwale. Sie gehören zur Familie der Delfine. Da die Delfine wiederum zu den Zahnwalen gehören, sind Grindwale Delfine und Wale in Personalunion. Diese zoologische Spitzfindigkeit interessiert die aufgebrachte Gruppe Grindwale indes nicht im Geringsten. Das dominante Männchen, ihr Leittier, dem die anderen Grindwale blind folgen, weicht seitlich aus. Wiederum ändert das Schiff seine Fahrtrichtung und kommt den Walen immer näher. Die Grindwale sind sich nicht sicher, welche Konsequenzen dies für sie haben könnte. Bisher haben Schiffe von ihrer Anwesenheit nie Notiz genommen. Große Unruhe macht sich breit. Der gewünschte Sicherheitsabstand zu dem
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