Keine Angst vor Anakondas
du hast mir bei der Gelegenheit erzählt, dass das dieselbe Art Fischadler sein soll, die sogar in Europa vorkommt. Was hat das mit den Dinos zu tun?«
»Genau, der Fischadler hat ein riesiges Verbreitungsgebiet. Außerdem ist er ein Dinosaurier.«
»So, so«, sage ich zweifelnd. Ich schlürfe geräuschvoll den Rest Kaffee aus meiner Tasse und stelle sie neben mich. »Mir war so, als hätte ich mal gehört, dass die Dinosaurier ausgestorben seien!« Ich kenne Jörg, da kommt noch etwas.
»Das ist nicht ganz richtig! Genau genommen sind die nämlich gar nicht ganz ausgestorben. Wir haben tagtäglich mit ihnen zu tun: Wir züchten sie, wir essen sie, wir halten sie uns in Käfigen in der Wohnung und erfreuen uns an ihrem Trällern. Die Dinos von heute watscheln durch die Antarktis oder drehen Kreise am Himmel und beobachten uns mit Adleraugen. Die Vögel stammen nämlich von den Dinos ab. Voilà, schon fliegen die gefiederten Dinosaurier durch den Dschungel!«
Jetzt ist Jörg so richtig in Fahrt, und er doziert weiter: »Wenn du ein Brathähnchen auf dem Teller hast, dann verspeist du einen Dino! Vergleich doch einmal den Fußabdruck eines Huhns mit dem von Tyrannosaurus rex . Außer der Größe sehen sich die Fußabdrücke total ähnlich.«
Tatsächlich gibt es neben den Knochen weitere Merkmale, die die Verwandtschaft der Vögel zu den Dinosauriern belegen. Beide Gruppen zeichnen sich durch hartschalige Eier aus. Die Eier anderer Reptilien, also von Schlangen, Eidechsen, Krokodilen und Schildkröten, sind weichschalig. Es verdichten sich immer mehr die Hinweise darauf, dass die reptilischen Vorfahren der Vögel bereits gleichwarm waren, so wie alle Vögel heute. Zumindest die Gruppe der Dinosaurier, aus denen sich die Vögel entwickelt haben, besaß ein Federkleid zur Wärmedämmung.
Eine andere Gruppe ausgestorbener Reptilien verfiel unabhängig von den Dinos auf die gleiche Idee. Es ist ein Vorteil, immer auf voller Betriebstemperatur zu sein und mit voller Leistungsstärke auf jede Situation reagieren zu können. Einen Nachteil bringt das ständige Wärmen des Körpers allerdings mit sich: wie bei einem Haus muss Energie zum Heizen aufgebracht werden.
»Wenn du Vögel als gefiederte Dinosaurier bezeichnest, dann bist du ein behaartes Reptil!«, sage ich zu Jörg. »Oder warum nicht gleich ein fortschrittlicher Fisch, da wir uns von den Fischen über Amphibien und Reptilien zu Säugetieren und letztlich zum Menschen entwickelt haben!«
»Zugegeben, das klingt wirklich komisch«, antwortet Jörg. Es entsteht ein Moment der Ruhe und Nachdenklichkeit, der aber nicht allzu lange währt: »Hast du schon einmal von dem gefiederten Dinosaurier gehört, der es sich angeblich in den Flossen eines fortschrittlichen Primaten bequem gemacht hat?«
Handzahm im Polarlicht
Stellen Sie sich vor, ein wilder Vogel kommt auf Sie zugetrippelt, Sie halten Ihre Hände schalenförmig auf, der Vogel klettert hinein und setzt sich gemütlich hin. Das klingt doch sehr unwahrscheinlich, eher wie aus dem Reich der Fabeln. Als zweites Szenario für den frei lebenden Vogel in der Hand könnte das biblische Paradies in Betracht gezogen werden: Zwischen Menschen und Tieren herrscht Friede, wenn man mal von der Schlange absieht. Die Urbevölkerung Lapplands ist reich an uralten Sagen über Berggeister, Trolle und Eiskönige. Eine jedoch handelt von diesem Vogel, der sich freiwillig in die Hände der Menschen begibt. In der Sage heißt es: »Wenn du dem Vogel begegnest, dann zeig ihm behutsam, dass du sein Land kennst, liebst und verstehst – dann vertraut er dir alles an, was er besitzt!«
Ernst Arendt und Hans Schweiger wollen herausfinden, ob sich ein Körnchen Wahrheit hinter dieser Sage verbirgt. Es ist der Mornellregenpfeifer, von dem die Rede ist. Die Ureinwohner Lapplands nennen ihn »Láhol«, die Vogelfreaks einfach nur »der Mornell«.
Über das Buch Mein Freund, der Regenpfeifer von Bengt Berg aus den Zwanzigerjahren sind sie auf die Sage aufmerksam geworden. Der Autor beschreibt in seinem Text die ungewöhnlich geringe Fluchtdistanz in den Brutgebieten. Ist es möglich, dass der Mornell sich wirklich freiwillig in den Händen eines Menschen niederlässt? Vögel sind in aller Regel scheu, wenn es sich nicht gerade um Inselarten handelt wie den flauschigen Kakapo, die keine Räuber kennen. Zugegeben, die Mornells leben sehr einsam in den Hochebenen Lapplands beziehungsweise in ihren Brutgebieten in den Tundren zwischen
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