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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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anpassungsfähig. Der Mornellregenpfeifer hingegen besitzt seit ewigen Zeiten intelligente Verhaltensweisen, die sich langsam herausgebildet haben und in den Genen festgeschrieben sind. Die Tiere reagieren auf eine Gefahr deswegen alle gleich und sind für uns Menschen leichter ausrechenbar.
    Wenn Ernst Arendt und Hans Schweiger in mehr als zehn Metern Abstand am Männchen im Nest vorbeilaufen würden, beobachtete der Mornell sie nur und bliebe sitzen. Dann würde er sich ducken, und die beiden hätten kaum eine Chance, ihn zu erkennen. Der ist zu gut getarnt. Wenn sie aber näher auf das Nest zulaufen, dann muss der Mornell reagieren. Er weiß nicht, was das für lange, dünne Wesen sind. Die etwas dusseligen Rentiere kennt er genau. Es könnte sein, dass die äsend vorbeiziehen und sich just neben dem Nest niederlegen, um da wiederzukäuen. Dann werden ihm die Eier kalt, wenn er zu lange versucht, das Rentier wegzulotsen. Denn das folgt ihm nicht, selbst wenn er noch so kläglich piepst und gebrochene Flügel markiert. Den Menschen hingegen kennt er kaum. Deswegen gehen Ernst Arendt und Hans Schweiger davon aus, dass der Mornell aufspringt, wenn sie ihm zu nahe kommen, und es mit seiner Strategie versucht, sie dazu zu verleiten, ihm zu folgen. In seinem subarktischen Lebensraum gilt seine Fluchtdistanz gegenüber Menschen während der Brutzeit als auffallend gering. Kein Wunder, entweder wird er erst gar nicht entdeckt oder er will sie dazu verleiten, sich von seinem Nest schnellstmöglich wieder zu entfernen.
Der eingebildete Kranke
    Die Tierfilmer sind kurz vor der Stelle, an der das Männchen mehrfach gelandet und wieder aufgeflogen ist. Plötzlich hören sie ein jämmerliches Piepsen vor sich und sehen den Mornell, der den Schwerverletzten simuliert. Die beiden bleiben stehen und beobachten das Theater. Wenn sie jetzt seiner Einladung folgen, so schön die Bilder wären, dann denkt der sich in etwa: »Aha, ein Feind!« Da sie ihn nur von ihrem Standpunkt aus beobachten und nicht das Verhalten eines Beutegreifers zeigen, denkt er sich irgendwann: »Die folgen mir nicht, sind also keine Räuber. Die müssen harmlos sein. Außerdem, die komischen langen Zweibeiner sind wohl so etwas Ähnliches wie zwei halbe Rentiere.«
    Zu lange darf er das Nest, wie gesagt, nicht verlassen. Die Eier bedürfen seiner wohligen Wärme. Also kehrt er irgendwann zum Nest zurück. Jetzt wissen die beiden Tierfilmer, wo es ist. Mit langsamen Bewegungen lassen sie sich in der Nähe nieder. Vertrauen zu gewinnen braucht Zeit. Dem Mornell geben sie so zu verstehen, dass sie ihm nicht böse gesinnt sind. Ab diesem Zeitpunkt kommen sie täglich zu dem brütenden Mornell, jedes Mal ein kleines bisschen näher, und erzählen ihm vom strengen Winter in Lappland, der Dunkelheit, den Schneemassen, den Stürmen, den zu Eis erstarrten Wasserfällen und den wenigen Tieren, die den Winter dort überdauern. Sie geben ihm zu verstehen, wie in der Sage gefordert, dass sie sein Land kennen und lieben. Der Mornell sitzt einfach da und hört zu. Klein und unauffällig, schlicht und elegant, wie er ist, entwickelt er sich für die beiden zu einer vertrauten Persönlichkeit. Ihr Leben und Streben dreht sich nur noch um ihn. In ihren Gedanken ist er jetzt der schönste und wichtigste Vogel auf der Welt. Angst hat er längst nicht mehr vor den beiden Quasselstrippen, die sich so gerne bei ihm niederlassen. Er nimmt sie als Selbstverständlichkeit hin, als gehörten diese halben Rentiere mit zur Landschaft.
    Der Mornell von Ernst Arendt und Hans Schweiger flieht überhaupt nicht mehr. Der bleibt einfach im Nest sitzen, egal, wie nahe sie ihm kommen. Als sie ihm einmal ein paar kleine Regenwürmer anbieten, frisst er sie ihnen aus der Hand. Er ist damit zufrieden, denn dann muss er nicht so lange nach Insekten und Spinnen suchen, die den größten Teil seiner Nahrung ausmachen. In kleinen Mengen nimmt er pflanzliche Nahrung in Form von Blättern und Beeren zu sich. Entspannt steckt er seinen Kopf in die Federn und ruht. Als ihm dann noch die Augen zufallen, ist wirklich Vertrauen da. Im Bereich des Polarkreises ist der Mornell 24 Stunden am Tag aktiv, allerdings legt er zwischenzeitlich lange Ruhe- und Putzpausen ein. Die Tierfilmer wiederum sind entzückt über das Vertrauen des wilden Vogels und genießen es, ihm so unglaublich nah zu sein. Und wenn ihnen die Geschichten vom Winter in Lappland ausgehen, erzählen sie ihm ihre Lebensgeschichten und von all den

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