Keine Angst
Liege, durchloht von flüssigem Feuer, ein weiterer Gang, dieselbe Prozedur, bis ich endlich – wie beiläufig – hinüber an die Bar schlenderte.
Maren erwartete mich.
Wochenlang ging das so. Das Spiel nahm immer raffiniertere Formen an. Es gab nichts, was wir einander nicht mitteilten und voneinander abforderten. Ihre feingeschwungenen Lippen blieben geschlossen, während sie mich ansah, und verrichteten in Wirklichkeit das Werk der Lust. Meine Zunge erkundete ihre Brüste, um sich langsam den Spitzen zu nähern, die hart wurden und Widerstand leisteten, so daß die Zungenspitze darüber hinwegschnellte wie ein Skiläufer, der über einen Hügel schießt. Ich sog den Duft ihrer Lenden ein und vergrub mich in dem Wäldchen oberhalb der warmen Schlucht, während sie mich ihrerseits zum Glühen brachte, bis wir nicht mehr konnten und übereinander herfielen.
In Wirklichkeit …
Nun, ich denke, daß wir unmerklich einen Punkt überschritten, da sich die Imagination verfestigte, während sich der reale Raum aufzulösen begann. Das Geistige übernahm die Kontrolle. Ein höherer Geist, wenn Sie so wollen, das Werden aus dem Wollen kraft göttlicher Inspiration, wie es schon einmal geschehen war in sieben folgenschweren Tagen. Eine durch nichts zu übertreffende Erfahrung.
Und trotzdem.
Was fehlte, war der Höhepunkt.
Den erreichten wir nie.
Immer kam uns irgendwas dazwischen. Ein Typ bestellte ein Bier. Was hätte sie sagen sollen? Entschuldigen Sie, es gibt gerade nichts zu trinken, ich erwarte einen Orgasmus? Oder jemand bat mich um Feuer. Das waren die Momente, da einer von uns aufgeben mußte, und allmählich begann es mich zu fuchsen, daß wir jedesmal so rüde unterbrochen wurden, und ich begann die Spielregeln anzuzweifeln. Als ich wieder mal nach Hause ging, um mir dort endgültige Befriedigung zu verschaffen, nahm ich mir vor, sie das nächste Mal regulär anzusprechen, zum Essen einzuladen, anschließend de facto zu verführen und ganz bodenständig durchzuficken.
Das Spiel war vorbei. Es wurde höchste Zeit, in die Realität zurückzufinden, wenn wir uns nicht in Virtualität verlieren wollten.
In der darauffolgenden Woche hatte ich viel um die Ohren. Klausuren, Verabredungen, eine dieser unsäglichen Studentenfeten, all das. Ich schlabberte den donnerstäglichen Saunabesuch und holte ihn freitags nach. Voller Vorfreude auf Maren packte ich meine Tasche, strich die überfällige Konsultation des Waschsalons, um früher bei ihr sein zu können, zahlte meinen Obulus, pfefferte meine Sachen in den abschließbaren Schrank im Keller und hastete nach oben in Erwartung, sie hinter der Theke stehen zu sehen, scheinbares Desinteresse zur Schau tragend wie immer. Maren war nicht da.
Einen Augenblick lang fühlte ich mich leer und verwirrt. Dann kehrte die Gelassenheit zurück.
Irgendwo würde sie schon stecken. Schlimmstenfalls hatte sie frei, dann mußte ich halt einen Abend lang auf sie verzichten.
Freitags war ich noch nie in der Therme gewesen. Wie konnte ich überhaupt davon ausgehen, daß sie jeden Abend hier kellnerte, immerhin bewältigte sie ein Studium, wie ich. Wenn ich überhaupt etwas erfahren hatte während der wenigen Male, die wir miteinander gesprochen hatten, dann, daß ihr Studium sie ebensosehr in Anspruch nahm wie mich.
Also ein Abend ohne Maren. Auch gut.
Von wegen!
Nichts war gut.
Ich absolvierte meinen ersten Saunagang und empfand Verlassenheit. Während ich auf der hölzernen Pritsche lag und den verwaschenen Klängen der Meditationsmusik lauschte, wurde mir plötzlich klar, daß ich Maren viel zu sehr liebte, um ohne sie existieren zu können.
Die Therme kam mir vor wie die Hölle. Solange ich mich außerhalb bewegte, lebte ich mein Leben, und es war soweit in Ordnung. Betrat ich hingegen diese Landschaft aus Kacheln, Holz und Wasser, verfiel ich in Abhängigkeit. So sehr wünschte ich mir Maren herbei, daß ich begeistert zugestimmt hätte, den Rest meines Lebens hier zu verbringen, nur um in ihrer Nähe sein zu können. Ich hatte keinerlei Zweifel, daß sie ebenso fühlte. Es war dieser energetische Strang von Bauch zu Bauch, der uns verband und mir anzeigte, daß wir einander auf so schöne, so aufregende, so bacchantische und zugleich abgrundtief traurige Weise liebten, daß diese Hallen der Entspannung zur Stätte der Verdammnis wurden ohne einander. Mehr als je zuvor empfand ich unsere Verbundenheit als etwas Lebendiges, und ich wußte, daß Maren mir nahe war und doch
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