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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Wahrhaftigkeit.
    Maren arbeitete in der Therme. Ich bestellte das eine oder andere Wasser bei ihr, woraus Sie ableiten können, daß ich vor der Bar und sie dahinter befindlich war, bekleidet natürlich. Sie war Sportstudentin und verdiente sich ein paar Mark nebenbei, indem sie Salate und Schnitzel an Tische trug, den Flüssigkeitsverlust der Saunagäste ausglich und ansonsten scheu zur Seite blickte, wenn man sie ansah.
    Spätestens nach dem zweiten Saunagang hockte ich an besagter Bar und arbeitete jeglicher Entspannung entgegen. Denn natürlich war ich ein verdammter Idiot und brachte Bücher mit. Ich ließ Mineralwasser in mich hineinlaufen und studierte.
    Zwischendurch, wenn ich aufblickte, fiel mein Blick auf Maren wie auf ein Formular, das es noch dringend auszufüllen galt, und ich orderte Nachschub und Spaghetti. Dabei lächelte ich freundlich, wie es sich gehört, und Maren lächelte zurück. Der Rest war Schweigen.
    Es muß mein vierter oder fünfter Besuch gewesen sein, da ich mich in Ermangelung mitgebrachter, weil vergessener Bücher an der Theke sitzend und in tiefe Betrachtung versunken fand. Faule Studenten gehen darin auf. Fleißige wie ich, also die Bescheuerten, sind ungeübt im Nichtstun. Es dauerte folglich eine Weile, bis mir dämmerte, wem meine Aufmerksamkeit da galt.
    Und seltsam – Maren, die scheue Maren, schien nicht das geringste dabei zu finden, daß ich sie anstarrte wie ein Kamel das andere.
    Ich durfte sie ungestört studieren, und sie studierte mich.
    Ihre Augen waren von ungewöhnlich tiefem Blau und schimmerten wie mit einer hauchdünnen Schicht Perlmutt überzogen. Nie zuvor hatte ich sie so gesehen! Ich wußte aus fern und nebelhaft zurückliegenden Zeiten, daß geweitete Pupillen und glänzende Augen starker Verliebtheit und sensationell gutem Sex zuzuschreiben sind. Im selben Moment wurde mir klar, daß es sich nicht anders verhielt, daß ich verliebt war, daß – mein Gott! – Maren verliebt war, und daß wir an dieser Theke jenseits verbaler oder haptischer Sachzwänge vögelten, was das Zeug hielt!
    Keiner von uns regte sich auch nur einen Millimeter von der Stelle. Wir waren völlig erstarrt, sieht man davon ab, daß der Wasserspeier so tat, als sei früher Morgen. Zwischen Maren und mir lagen gut und gerne drei Meter Distanz. Es war ein Spiel, in dem es darum ging, wer länger durchhielt. Das ganze Geheimnis bestand darin, nicht wegzusehen. Jeder war Sender und Empfänger. Ich blickte sie an und suggerierte ihr, wie meine Hand an ihrem Bauch herabglitt und sich mit langsamen, kreisenden Bewegungen
12. März 1997
    Es ist eine Unverschämtheit!
    Sie werden registriert haben, daß die höchst anschauliche und prosaisch gelungene Beschreibung jener Vorgänge zwischen Maren und mir abrupt endet. Die behaupten hier allen Ernstes, ich hätte mittendrin aufgehört zu schreiben. Ich soll auf dem Boden dieses Raumes, den ich seit kurzem bewohne, gelegen haben, schlafend! – und da besaßen sie die Frechheit, mein Manuskript zu lesen! Dabei weiß ich, daß sie mir irgendwas verabreicht haben, das einen stante pede in den Schlaf befördert, so daß einem der Stift aus der Hand fällt, die verdammten Spanner!
    Sie wollen nämlich auch studieren. Mich!
    Aber ich will nicht. Ich will keine kleine weißen Dinger mehr schlucken. Alles, was ich sage, ist die Wahrheit. Die verfluchte Scheißwahrheit!!!
    Okay, okay. Contenance!
13. März 1997
    Stimmt schon, ich werde schnell müde. Studenten gehen nun mal früh ins Bett. Die fleißigen, meine ich. Aber was soll’s, die freundlich bemühten Leute auf dieser Station werden bei aller Liebenswürdigkeit und Besorgtheit nicht verhindern können, daß ich dieses Tagebuch weiterschreibe, als sei es meine Doktorarbeit, die ich im übrigen auch noch schreiben ’werde, daß sich da bloß mal keiner vertut! Ich brauche nur ein bißchen Ruhe. Ein paar Tage vielleicht. Mehr nicht.
    Kehren wir zurück.
    Ich ging nun zweimal die Woche in die Therme, dienstags und donnerstags. Meine Bücher nahm ich nicht mehr mit. Betrat ich die Saunalandschaft, wechselten Maren und ich kaum einen Blick. Sie kümmerte sich um die Gäste, während ich per Handtuch einen Liegestuhl okkupierte und in irgendeiner Sauna verschwand, um ordentlich zu schwitzen. Anschließend vertrat ich mir die Beine, tauchte ins eiskalte Wasser und sah zu, wie der Wasserspeier zu einer Zuckergußgarnitur verschrumpelte. Es folgten Whirlpool und Schwimmbecken, zehn Minuten Pause auf der

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