Keine Angst
Kommunistischen. Über Opa Manfredo hat unsere Familie so was wie einen Draht zur Familie von Don Luca aufgebaut, was aber anfangs in Köln keine Rolle spielte.«
»Anfangs?«
»Ja. Anfangs.«
»Als wir alle herkamen?«
»Als wir alle herkamen.«
»Ich kapier überhaupt nix mehr.«
»Ist doch ganz einfach! Schau, Maurizio rettet Ornella vor den Glatzen, klar? Und jetzt steht Don Luca bei Maurizio und seiner Familie in der Schuld, genauer gesagt bei Carlo Piselli, der Maurizios Onkel und im übrigen einziger erziehungsberechtigter Anverwandter ist, weil ja die Eltern vor sieben Jahren auf der Straße nach San Marino die Kurve nicht kriegten.«
»Du lieber Himmel.«
»Also bin ich zu Carlo gegangen, nachdem der mir die Geschichte mit Ornella erzählte, weil ich Carlo mal einen Gefallen getan habe, ist schon was her, und Carlo seinerseits in meiner Schuld stand, und hab gesagt, Carlo, geh zu Don Luca und bitte ihn, uns hier in Ruhe zu lassen mit unserem Restaurant. Don Luca ist dir verpflichtet, da wird er sicher nicht nein sagen. Keine achtundvierzig Stunden später berichtet mir Carlo stolz, Don Luca habe ihn an sein Herz gedrückt und Bruder genannt und ähnlichen Quatsch, und das mit uns war geritzt, auch weil es ja diesen Draht zwischen seiner und unserer Familie gäbe, und dann noch Ornella obendrauf, gar kein Problem. Verstehst du?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich kenne keinen Don Luca.«
»Jeder kennt Don Luca. Aber du bist mein kleiner Bruder. Hm. Ich wollte meinen kleinen Bruder immer schützen vor diesen ganzen schmutzigen Geschichten. Hätte dir vielleicht doch mehr erzählen sollen, damit du die Welt begreifst, so wie du mir jetzt mehr erzählen solltest. Sei’s drum. Du verstehst, worauf ich hinaus will?«
»Nein! Wer ist dieser Don?«
»Du kapierst tatsächlich nichts! Don Luca ist die Mafia.«
»Was?«
»Don Luca ist die Personifizierung der Mafia im schönen gemütlichen Köln. Hast du’s jetzt begriffen, Schafskopf?«
»Don Luca ist die Mafia?«
»Ja. Und wir stehen unter seinem Schutz. Die Mafia tut uns nichts.«
»Die Mafia tut uns wohl was.«
»Franco, das kann nicht sein! Wenn Don Luca einmal sein Wort gegeben hat, hält er’s auch. Das sind nicht die Russen hier oder das Serbenpack oder die Chinesen, wir reden von der ehrenwerten Gesellschaft.«
»Der Scheißkerl war nicht ehrenwert.«
»Die ehrenwerte Gesellschaft ist zum Untergang verurteilt, Brüderchen, eben weil sie’s noch ist. Klar wird da geraubt, erpreßt, gefoltert und gemordet, aber das alles folgt einem absurden Ehrenkodex. Den haben die anderen nicht. Die Welt ist voller Gauner, aber einige halten wenigstens ihr Wort. Das sind die Verläßlichen, die leider auf der Strecke bleiben werden. Alte Männer, Franco, mit noch älteren Müttern, denen Heiligenscheine wachsen, während sie Spaghetti kochen, während die anderen, die jungen Banden, nicht mal mehr ihre Kinder lieben. Aber noch ist Don Luca hier der König. Ein Boß, ein richtig altmodischer Gangsterboß.«
»Warum hast du mir nie davon erzählt?«
»Weil ich dich nicht verderben wollte. Als wir eröffnet haben, wollte ich, daß du dich um die Finanzen kümmerst und mit Alice glücklich wirst. War vielleicht ein Fehler. Aber ich kenne Leute, die du nicht kennen solltest. Ich war an Plätzen, wo du hoffentlich nie hinkommst. Ich habe Sachen klargemacht, von denen weder du noch irgend jemand sonst was weiß. Nur darum haben wir hier unsere Ruhe.«
»Hatten wir.«
»Tja. So wie’s aussieht.«
»Aber wenn der Typ nicht von der Mafia ist, was dann?«
»Ein Einzelgänger, schätze ich. Einer, der sich das ehrenwerte Mäntelchcn umhängt. Davon gibt’s einige. Sie können allein nichts ausrichten, also schieben sie eine größere Organisation vor in der Hoffnung, ihren Opfern die nötige Angst zu machen. Ist der Kerl Italiener?«
»Könnte einer sein, dem Aussehen nach. Aber er hat deutsch gesprochen.«
»Akzentfrei?«
»Schwer zu beurteilen. Ich glaube schon.«
»Gut. Ich habe einen Plan.«
»Plan?«
»Ja.«
»Wie soll der aussehen?«
»Ganz einfach. Du gehst jetzt da rüber und holst den 85er Tignanello aus dem Regal. Den trinken wir aus, und du erzählst mir alles hübsch der Reihe nach.«
»Mir ist nicht nach Tignanello.«
»Aber mir. Und laß endlich die Widerworte, kleiner Bruder. Ich bin der Ältere. Ich bestimme, wann getrunken wird. Und jetzt wird getrunken.«
»Alice.«
»… … … … … … … … … … …«
»Alice,
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