Keine Angst
einem ganz offensichtlichen Alkoholproblem?!
Da, der Neumarkt. Wie schrecklich banal! Und doch, daß man taumeln möchte! Will haben wollen, will besitzen, muß! Um jeden Preis! Es könnte Hundescheiße sein, ein gottverdammter Dreck, ein Nichts bedeuten, und doch alles, wenn nur von Krick gemalt.
Aber Krick verkauft so gut wie nie. Wenn, dann schweineteuer.
Rautenbach versucht, in die Realität zurückzufinden. Der Punk sägt an ihr. Sie hat einen Augenblick vergessen, daß sie Kunst als Geschäft betreibt. Sie vergißt es sofort wieder. Den Neumarkt will sie für sich. Ihren Krick. Mit niemandem teilen. Darin leben. Ganz gleich, was der versoffene Grottenolm dafür verlangen mag!
Krick rülpst und gesellt sich an ihre Seite. Ob sie ein Bier will? Was sie schreiben will?
Sie will das Bild.
Krick guckt seine Flasche an und läßt Schweiß an sich herunterlaufen. Seine Pupillen scheinen fortzuschwimmen. Dann schüttelt er langsam den Kopf.
Sie versteht nicht. Der Neumarkt, Mann! Wie teuer?
Krick lächelt und gewinnt mit einemmal an Größe. Die Pupillen fangen sich. Zwei schwarze Öltupfen sehen sie an und bedeuten ihr zu gehen. Überflüssig, sagen die öligen Augen. Du bist eine Galeristin, sagen sie. Durchschaut, sagen sie. Deinesgleichen soll mich für alle Zeiten kreuzweise am Arsch lecken. Bevor ich mit Galeristen Geschäfte mache, sprenge ich mich lieber in die Luft, und dann ist alles weg.
So was hat er schon mal ausgespien, der Hurensohn, bei Biolek, wo er breit dasaß und über Paralleluniversen schwadronierte, immer auf und zu das breite Maul, ein philosophierender Frosch, so ist er ihr vorgekommen. Und andererseits wie ein gestürzter Gott, dessen Kraft die wirkliche Welt nicht mehr bewegen kann, die aber reicht, um eine Kopie zu schaffen, die das Vorbild auf irritierende Weise überstrahlt. Hat gedroht, daß er keinem Galeristen je gestatten wird, Krick auszustellen. Nicht, weil er Galeristen haßt. Auch nicht, daß er sie liebt.
Er mag sie einfach nicht.
Bioleks Frage nach dem Grund zieht eine verschlungene Spur. Krick schweigt und verkündet endlich, die Galerie sei die Gruft der Inspiration. Hängen schwer im Fernsehstudio, die Worte. Jemand klatscht. Dann klatschen alle. Biolek räuspert sich und weiß, daß Krick weiß, daß Biolek weiß, und es war eine gelungene Sendung.
Man sollte ihn ignorieren, diesen Krick!
Aber so echt, so lebendig! Niemand hat je so gemalt! Rautenbachs Absätze schlagen Protest. Sie will das Bild. Sie sagt ihm, daß sie es auch ganz bestimmt nicht in die Galerie hängen wird, nur für sich will sie es haben, aber dann schnüren ihr Kricks zusammengezogene Pupillen die Luft ab, und sie läßt sich verdattert von ihm rauswerfen auf die schwarze, kalte, unwirkliche Straße.
Nach einer Weile und etlichen Regentropfen wird die Straße wirklicher, und Rautenbachs Hirnkasten findet zu gewohnt präziser Denkart zurück. Da hängt ein Bild in einer Rohputzhöhle, das sie haben will. Will! Und wenn sie sich dran sattgesehen hat, dann wird sie es verkaufen. Wenn sie will! Für eine aberwitzige Summe wird sie es verscheuern oder aber verschenken, oder behalten oder auf die Straße werfen, nur um ihren Willen geht es, und daß sie ihn bekommt! Will will will fußaufstampfen, macht’s! Schaut sich um, keiner gesehen. Noch mal!
Weitergehen, dahin, wo der regennasse Asphalt wieder beginnt, Lichter zu spiegeln. Auto.
Fahren. Grübeln.
Zu Hause vergeht sich Rautenbach an einer Flasche Caol Ila, und der Whiskey trägt sie auf salzigen Wogen fort ins Eventuelle. Es bedarf dreier Gläser, um heimisch zu werden dort, wo jeder Gedanke ein Recht auf Gedachtwerden hat, und als sie zurückkehrt von ihrem Höllenritt, hat sich ihr ein Plan angeschlossen, und dieser Gefährte ist ein Dieb.
Rautenbach läßt die Stille ihrer zweihundertzwanzig Quadratmeter Penthouse auf sich wirken und schiebt den Gedanken hin und her. Den Keller kann man knacken. In dem schimmeligen Loch gibt es mit Sicherheit keine Alarmanlage, und wenn Krick seinem Ruf gerecht wird, liegt er spätestens nach Mitternacht in kleisterigem Suff. Da kann er keinen Dieb von einer Flasche Fusel unterscheiden. Besser natürlich, er wäre gar nicht da. Träfe sich mit Schult zur Breitmaulakrobatik oder mit Penck zu gemeinsamem Grinsen.
Aber selber da runtersteigen, wo alles verklebt ist von Kricks Präsenz? Simone Rautenbach, eine angesehene Galeristin? Unmöglich. Dafür gibt es Leute.
Sie schläft ein auf der Weide ihres
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