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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nichts gegen die Franzosen. Er hatte überhaupt gegen niemanden was, solange sich Geld mit ihm verdienen ließ. Vernon mußte natürlich auch trinken, und immer wurde Habermas nach kurzer Zeit sonderbar, so daß man nie wußte, ob er nur Spaß machte oder es bitterernst meinte.
    Vernon, schrie er dann plötzlich, ist das irgendein höherer Blödsinn, den ich nicht verstanden habe? Hat Gott euch ins Gebetbuch geschrieben, daß ihr euer verdammtes Zäpfchen wegklappt, wenn ihr trinkt? Trinken ist ein Vorgang, die Kehle kein Brunnen, ihr müßt schlucken und schmecken, sonst wird das nichts mit unserem Spiel. Wenn ihr es runterkippt wie einen Eimer Lauge, könnt ihr nichts schmecken und das Spiel nicht spielen! Immer, wenn Habermas uns kollektiv anging, sagte er: Vernon …! Als könne Vernon Wunder was ausrichten und sei zugleich an allem schuld. Du bist doch Franzose, fuhr er ihn an, gerade von dir hätte ich ein bißchen mehr Lebensart erwartet, also mach was! Sag denen, sie sollen das Kölsch nicht kippen. Oder haben dir die Deutschen auch das Saufen beigebracht, diese sinnlose Sauferei, he? Das sagte er, obwohl er ja selber der größte Säufer von allen war und jedes Glas in einem Zug hinunterstürzte.
    Vernon pflegte sich auf solche Reden einen Augenblick Zeit zu nehmen, so daß wir alle sehr gespannt waren, wie er Habermas begegnen würde. Der Alte starrte ihn ungeduldig an, und Vernon sagte dann bedächtig: Habermas, schrei nicht, sonst mache ich ernst und dekantiere das nächste Faß auf kleiner Flamme. Solche Dinge sagte er, weil er wußte, daß Habermas sich nicht die Blöße geben würde, einzugestehen, daß er von Dekantieren noch nichts gehört hatte oder von ähnlichen Dingen. Meistens lachte er dann brüllend und beschloß, Vernon komisch zu finden.«
    Wieder nahm sie einen kleinen, kontrollierten Schluck, stellte das Glas ab und blinzelte.
    »Wollen Sie die Geschichte weiterhören?«
    »Ich bin verrückt nach Geschichten«, lächelte der Sammler wahrheitsgemäß und breitete die Arme aus.
    »Nun ja, das Spiel dauerte an. Habermas’ Spiel. Ihm gehörte das halbe Brauhaus und überhaupt alles mögliche, darum mußten die Köbesse dieses nicht enden wollende Spiel mitspielen, sobald der Schankbetrieb eingestellt und die letzten Gäste zur Tür raus waren. Einfache Regeln. Man konnte es zu zweit spielen oder zu mehreren. Ein Kranz Gläser wurde vollgemacht, was Habermas selbst besorgte, wobei er immer eines aussparte. Sie verstehen? Er nannte dieses Glas den Agenten! Der Agent wurde unter dem Boden mit einem winzigen Stück Klebepapier markiert, dann füllte Habermas ihn mit dem Kölsch irgendeiner anderen Marke, setzte ihn zu den Gläsern, trug den Kranz zum Tisch und ließ ihn vor den Augen der Anwesenden mit derart verblüffender Geschwindigkeit rotieren, daß er sich drehte wie ein Karussell. Das war jedesmal ein Anblick! Die Gläser verbanden sich zu einem weißgoldenen Wisch. Stoppte Habermas ab, war eines wie das andere geworden. Der Kranz knallte auf den Tisch, und jeder Spieler mußte nun dasjenige Kölsch nehmen, das direkt vor ihm stand. Halb austrinken, seinen Tip abgeben, ob’s der Agent ist oder nicht, dann weiter bis zur Neige und nachgucken.«
    »Ein Geschmackstest« meinte der Sammler. »Schöne Idee für Werbeleute. Was war der Einsatz?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Habermas ging es nicht um den Einsatz«, sagte sie. »ich sagte ja, er liebte dieses Kölsch in diesem Brauhaus. Schlimm, wenn man sein Heiligstes für die böse Konkurrenz hielt. Je betrunkener er überdies wurde, desto sicherer konnte man sein, umgehend von ihm rausgeschmissen zu werden, ob man nun für ihn arbeitete oder nicht. Tatsächlich war er der festen Überzeugung, daß alle irgendwie für ihn arbeitetet, sogar Yvonne, seine Frau. Er selber gewann übrigens immer, sobald der Agent an ihn geriet. Niemand wußte, warum. Wir haben oft gerätselt, ob er wirklich so eine feine Zunge hatte oder schlicht ein Gaukler war. Einer, der es irgendwie schaffte, sich den Platz des Agenten trotz der rasenden Kreiselbewegung zu merken, um dann den Magier zu markieren …«
    »Klingt nach einem Trick«, mutmaßte der Sammler. »Wenn er es war, der den Kranz drehte.«
    »Ja, aber immer nur das erste Mal. Dann ging’s reihum, jeder durfte drehen. Drehen, trinken, tippen, austrinken, rumdrehen, nachsehen. Das Spiel setzte sich so lange fort, bis einer gewonnen beziehungsweise verloren hatte.«
    »Ich schätze doch, Habermas war

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