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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hinzustarren.
    Habermas wiederholte seine Frage. Plötzlich kam er ihnen überhaupt nicht mehr betrunken vor. Natürlich hätten sie leugnen können, aber sie wußten, daß es nichts zu leugnen gab, daß der Alte wahrscheinlich schon seit langer Zeit über alles im Bilde war, ihnen mit voyeuristischem Eifer nachspioniert hatte in grausamer Vorfreude auf diesen Augenblick.
    Und als Habermas weiterfragte – ruhig und gelassen, fast heiter wirkte er! – da offenbarten sie sich ihm und sagten, daß sie in Liebe zueinandergefunden hätten und gemeinsam weggehen wollten, und Vernon fügte hinzu, er werde es nicht länger mit ansehen, daß Yvonne sich an einen tyrannischen Egoisten und Schuft wie ihn verschwenden würde.
    Habermas grinste übers ganze Gesicht. Beide schienen ihm mächtig Spaß zu machen. Gut, sagte er mit größter Gelassenheit, ich kann’s nicht ändern. Machen wir also das beste draus. Mein Freund Vernon und ich spielen jetzt diese Runde Roulette, und der Sieger bekommt Yvonne.
    Sie starrten ihn an, als sei er nicht gescheit.
    Der Verlierer verzichtet auf alles, fügte er hinzu. So ist es nur fair.
    Du dreckiger Pferdehändler, stieß Vernon hervor.
    Habermas hob beschwichtigend die Hände. Ihr urteilt zu früh, sagte er. Selbstverständlich mache ich unser aller Glück nicht von einem simplen Geschmackstest abhängig. Will sagen, ich habe die Spielregeln ausnahmsweise geändert. Bezüglich des Agenten, damit ihr seht, daß ich die Sache ernst nehme.
    Was hast du diesmal wieder ausgeheckt, du Teufel? fuhr ihn Vernon an.
    Habermas lächelte. Es ist Zyankali in dem Glas, erwiderte er. Ich sagte ja, der Verlierer verzichtet auf alles. Also auch auf das geliebte Leben, meine Süßen. Falls Vernon verliert, nun, Pech für euch. Sollte allerdings ich der Unglückliche sein und hier am Tisch zusammenbrechen, könnte euch nichts besseres passieren. Ihr hättet keinerlei Schwierigkeiten mehr. Yvonne erbt mein Vermögen, ihr seid reich, und den alten Habermas könnt ihr von Zeit zu Zeit auf Melaten besuchen und ein Sträußchen dalassen. Immerhin hättet ihr mir dann einiges zu verdanken. – Tja, das wäre also mein Angebot. Ein letztes Spiel, das mir Vernon, wenn ich mich nicht irre, fest versprochen hat. Stimmt’s nicht, Vernon?
    Nein, sagte Yvonne. Sie sagte es sehr klar und entschieden. Nein!
    Habermas setzte seine beleidigte Kleinjungenmiene auf und zeigte zu Vernon herüber.
    Aber er hat’s mir versprochen!
    Ich hab dir gar nichts versprochen, sagte Vernon. Er erhob sich und legte alle Verachtung in einen einzigen Blick, die man für einen Menschen zum Ausdruck bringen kann. Ich werde jetzt nach Hause gehen, und Yvonne geht mit mir. Das Spiel wird vorbei sein, bevor es angefangen hat, Habermas. Du wirst lernen müssen, daß nicht alles so läuft, wie du es dir vorstellst.
    Habermas zog die Brauen hoch und spitzte nachdenklich die Lippen.
    Wie schade, meinte er. Aber möglicherweise habe ich mich einfach nicht klar ausgedrückt.
    Im nächsten Moment hielt er eine Waffe in der Hand und richtete die Mündung auf Vernon.
    Der Franzose erstarrte mitten in der Bewegung. Dann muß er wohl etwas in Habermas’ Augen gesehen haben, etwas Unmißverständliches und Tödliches, denn er setzte sich wieder hin und griff unsicher nach Yvonnes Hand.
    Und was willst du jetzt tun? fragte er. Mich erschießen?
    Ja, nickte Habermas ernst. Euch beide.
    Aus Vernons Gesicht wich alle Farbe. Yvonne beugte sich ungeachtet der Waffe zu Habermas vor und sagte: Das wirst du nicht wagen. Ich bin deine Frau.
    Bis daß der Tod uns scheidet, gab Habermas zurück.
    Du wirst es nicht tun, wiederholte sie eindringlich.
    Willst du es ausprobieren? fragte er. Seine Miene war zu Stein geworden. Ich werde schießen, so wahr ihr beide mein Vertrauen mißbraucht habt. Auf abscheuliche Weise! Warum sollte ich weniger abscheulich sein? Also, Vernon, sag mir, was du vorziehst: Die Kugel oder eine fünfzigprozentige Chance zu überleben mit der Option, hinterher stinkreich zu sein?
    Vernon starrte abwechselnd auf den Revolver und auf Habermas.
    Dann griff er mit bebender Unterlippe nach dem Kranz, drehte ihn und knallte ihn in die Mitte der Tischplatte, daß Schaum aus den Gläsern spritzte.
    Nein, schrie Yvonne.
    Es war zu spät. Einen Moment lang saßen beide Duellanten noch starr und reglos da. Dann griff Vernon nach dem Glas vor ihm, Habermas tat es ihm gleich, und sie stürzten den Inhalt hinunter, als hätten sie Ewigkeiten nichts zu trinken

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