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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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bekommen.
    Die Katastrophe blieb aus. Weder fiel Vernon röchelnd in sich zusammen noch glitt Habermas die Pistole aus der erschlafften Rechten.
    Yvonne begann zu schluchzen und flehte sie an, aufzuhören, aber Habermas tat, als habe er sie nicht gehört. Die Waffe unverwandt auf Vernon gerichtet, drehte er den Kranz, und sie tranken zwei weitere dieser verfluchten Gläser aus, und wieder geschah nichts. Sechs Gläser waren noch im Kranz, eines davon der Agent. Vernons Rechte zitterte, da er nun wieder an der Reihe war.
    Laß uns aufhören, flüsterte er, bitte.
    Nein, sagte Habermas.
    Yvonne zuliebe!
    Habermas sah aus, als durchdenke er den Vorschlag. Und was hat Yvonne mir zuliebe getan? fragte er. Nein, Vernon. So einfach kommst du mir nicht davon. Wir trinken weiter.
    Vernon, der arme Vernon, zitterte so sehr, daß er den Kranz kaum halten konnte und zwei Versuche brauchte, bis vor jedem wieder ein volles Glas stand. Sie tranken. Nichts, keine Wirkung. Nun war es an Habermas zu drehen, und auch er schaffte es eine Weile nicht, zwei volle Gläser in richtiger Position vor sie hinzubringen, denn mittlerweile waren ja sechs leere darunter. Dann tranken sie auch das siebente und achte, und Vernon übernahm den Kranz und drehte ihn mit zusammengebissenen Kiefern weiter, bis vor jedem von ihnen ein letztes Kölsch darauf wartete, getrunken zu werden. Und einen von ihnen zu töten.
    Lange Zeit regte sich niemand. Habermas und Vernon sahen einander in die Augen. Auf Vernons Stirn sammelte sich der Schweiß. Seine Augen waren gerötet. Er zitterte noch stärker als zuvor.
    Vernon, sagte Habermas, einer von uns wird jetzt sterben.
    Bitte, flüsterte Vernon mit erstickter Stimme.
    Yvonne war fassungslos. Außerstande, ein Wort hervorzubringen, sah sie, wie Habermas als erster nach seinem Glas griff, und einen törichten Moment lang hoffte sie inbrünstig, ihn daran sterben zu sehen, schnell und schrecklich. Dann setzte Habermas die Stange bedächtig an die Lippen, leerte sie bis zur Neige und stellte sie zurück.
    Wahrhaftig, sagte er, ein gutes Kölsch. Das beste.
    Vernon saß vor seinem Glas.
    Trink, sagte Habermas.
    Vernon schüttelte den Kopf. Er begann zu weinen.
    Nun trink schon, ermunterte ihn Habermas beinahe väterlich. Vielleicht bist du ja immun gegen Zyankali. Tut mir leid, Vernon, aber wir hatten eine Vereinbarung getroffen. Du hast versprochen, dieses letzte Spiel mit mir zu spielen, und jetzt hast du verloren. Kannst dir aussuchen, wie du sterben willst, aber von einer Kugel ist bis heute noch jeder gestorben, denk dran.
    Dann schieß doch, wimmerte Vernon.
    Habermas runzelte einen Augenblick die Stirn, als sei er mit der Entwicklung der Dinge nicht recht zufrieden. Dann hellte sich seine Miene auf. Der Lauf der Waffe schwenkte hinüber zu Yvonne, zielte nun auf sie.
    Und wenn ich deine Teuerste erschieße, krähte er, entzückt über seinen grandiosen Einfall. Ich hab ja eh nichts mehr von meiner Frau, sie liebt mich nicht und wird mich verlassen, so oder so. Soll sie leben oder soll sie sterben?
    Du Schwein, weinte Vernon.
    Wenn sie leben soll, dann trink.
    Totenblaß streckte Vernon die Finger nach dem Glas aus. Sie berührten es, fuhren daran entlang, glitten kraftlos ab.
    Nicht, daß du es umkippst, meinte Habermas. Das würde nichts ändern, hörst du?
    Vernon nickte.
    Seine Hand schloss sich um das Glas, obschon er vor lauter Zittern kaum instande war, es zu halten. Unendlich langsam führte er es an die Lippen. Er stöhnte qualvoll auf, und sein Blick, voller Flehen und Todesangst, suchte den Yvonnes.
    Sie wich ihm aus.
    Ein Wort von ihr würde vielleicht genügt haben, ich weiß es nicht. Ein Wort nur, und sie hätten Habermas gemeinsam in die Knie zwingen können. Aber Yvonne, die nicht sterben wollte, als gäbe es wirklich ein Entrinnen vor dem Tod, Yvonne, die das Leben am Ende mehr liebte als den Geliebten, sah nach unten und ließ Vernon allein mit seiner Verzweiflung.
    Er schaute in das Glas, mischte Tränen mit Bier, öffnete die Lippen …
    Und sackte in sich zusammen.
    Ich kann nicht, keuchte er. Oh Gott, ich kann nicht!
    Was soll das heißen, du kannst nicht? brüllte Habermas. Dann werde ich Yvonne erschießen. Mach dir keine Illusionen, ich wäre dazu nicht fähig. Trink endlich das Glas aus, verdammt noch mal. Trink es, Schlappschwanz.
    Ich kann nicht, heulte Vernon.
    Also gut, sagte Habermas mit gebleckten Zähnen. Dann gib es ihr! Vielleicht ist sie ja bereit, dein lausiges Leben zu

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