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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Matrosen zugeworfen hatte, der das Schiff festmachte.
    »Wer ist der ranghöchste Offizier?«, fragte er laut, um den Regen, der auf das Metalldach prasselte, zu übertönen.
    »Außer Ihren Dokumenten bleibt alles an Bord der Yacht«, befahl ungerührt und mit fester Stimme der Maresciallo der Guardia Costiera, dessen Uniform von makellosem Weiß war.
    Neben ihm standen vier uniformierte Polizeibeamte sowie drei Männer um die vierzig in fuselfreien Overalls, auf die in dunkelblauen Lettern »Polizia scientifica« gedruckt war: Kriminaltechnik. Drei weitere Matrosen der Küstenwache standen etwas abseits und begutachteten neugierig die üppige Dame, die von Bord gesprungen war und eine viel zu enge Windjacke über ihr Kleidchen gezogen hatte, die sie über dem Busen nicht zu schließen vermochte.
    Lele machte nicht die geringsten Anstalten, dem Befehl zu folgen. Wie angewachsen stand er da und fixierte den Offizier. Seit das Patrouillenboot draußen aufgetaucht war, hatte er alle Hebel in Bewegung gesetzt, während Vittoria sich im Hintergrund übergeben musste.
    Der Senator hatte versprochen, sich direkt an den Innenminister zu wenden, einer seiner Abgeordneten hatte sich mit der Polizeipräsidentin in Verbindung gesetzt, ein anderer mit dem Präfekten der Provinz Ravenna, der sich wiederum mit dem dortigen Polizeipräsidenten verständigen sollte. Die einzige Auskunft, die Lele kurz vor dem Anlegen erreichte, war die, dass die Triestiner Staatsanwältin die Beschlagnahme der »Greta Garbo« verfügt habe, wogegen im Moment nichts zu machen war. Raccaro fluchte still auf den unantastbaren Status der italienischen Staatsanwälte, der noch immer in der Verfassung verankert war. Mit legalen Mitteln war gegen ihre Unabhängigkeit nicht anzukommen. Niemand konnte ihre Arbeit blockieren. Die Weisungen der Mächtigen waren wirkungslos, während in allen anderen Ländern Europas politisch unbequeme Prozesse im Vorfeld erstickt und unliebsame Ermittler abgesetzt oder befördert wurden. Je nachdem. Einer der triftigen Gründe, weshalb die Regierung ständig neue Gesetzesvorlagen hervorbrachte, durch die man sich Leles Meinung nach zu Recht zu schützen suchte.
    »Ihr Schiff ist beschlagnahmt«, sagte einer der Polizisten, auf dessen Jacke in weißer Schrift »Anticrimine« zu lesen war.»Verfügung der Staatsanwaltschaft Triest.« Er reichte Raccaro ein Blatt. »Geben Sie mir den Koffer, Dottor Raccaro.«
    Lele klemmte ihn zwischen die Knie und fummelte seine Lesebrille aus der Brusttasche, dann warf er einen Blick auf das amtliche Schreiben.
    »Diese Anordnung gilt für die Yacht, persönliche Gegenstände sind nicht erwähnt«, sagte er schließlich. »Den Koffer behalte ich, mit dem Rest können Sie tun, was Sie wollen.«
    »Sie verstoßen damit gegen das Gesetz, Dottor Raccaro. Versuchte Unterdrückung von Beweismitteln. In diesem Fall muss ich Sie festnehmen. Sie hätten es einfacher haben können. Wir bekommen ihn sowieso.«
    Die Kriminaltechniker drängten an ihm vorbei und gingen an Bord. Einer von ihnen verschwand in einer der Kabinen, während die anderen das Deck absuchten.
    »Und weshalb das Ganze?« Lele war sichtlich ungehalten. »Gibt es eine Anzeige? Hier steht nichts davon.« Er wedelte wild mit dem Schreiben.
    »Anweisungen, Dottor Raccaro. Machen Sie sich das Leben doch nicht unnötig schwer.«
    Lele umklammerte trotzig den Koffer vor seiner Brust, wie ein Kind seinen liebsten Teddybär. Er hatte der »Greta Garbo« den Rücken gekehrt und sah nicht, wie ein Mann im weißen Overall Reling, Stage und Wanten unter die Lupe nahm. An einer Stelle neben der Badeleiter machte er Fotos aus verschiedenen Positionen und löste dann mit Hilfe einer Pinzette ein Stück hellen Stoffs von der Größe einer Zwei-Euro-Münze aus den Drähten der Halterung einer Stütze. Er steckte es in einen Kunststoffbeutel, den er sorgfältig verschloss und beschriftete.
    »Haben Sie es sich überlegt, Raccaro?«, fragte der Uniformierte und gab, als der kleine Mann keine Anstalten machte, sich von seinem Koffer zu trennen, den beiden Kollegen ein Zeichen, worauf sie auf den Alten zugingen und ihn an denEllbogen fassten. Sie tasteten den Koffer nicht an, führten ihn zur Mole, wo der Streifenwagen stand. Lele war zu klein, als dass ihm ein Beamter beim Einsteigen hätte schützend die Hand aufs Haupt legen müssen.
     
    Vittoria wurde von dem Gelände der Guardia Costiera geleitet, sobald man ihre Personalien überprüft hatte. Im

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